"Wenn man optimistisch ist, dann dauert das noch 25 Jahre. Pessimistisch betrachtet sind es vielleicht 50 Jahre." Die Rede ist vom Quantencomputer, dem in seiner Schnelligkeit und mathematischen Problemlösungskapazität wahre Wunderdinge nachgesagt werden. Peter Zoller, Professor am Innsbrucker Institut für Theoretische Physik, bezeichnet ihn "große Perspektive und Vision". Am Institut werden - mit Ignacio Cirac und anderen Partnern - theoretische Modelle für ihn entwickelt; ein Stockwerk höher versucht Rainer Blatt am Institut für Experimentalphysik, "diese extrem schwierigen Dinge" umzusetzen. Ausgangspunkt aller Überlegungen ist der vom österreichischen Physiker Erwin Schrödinger eingeführte Begriff der "Verschränkung". Demnach zeigen quantenmechanische Teilchen in verschränktem Zustand untereinander wesentlich stärkere Korrelationen (Gemeinsamkeiten, Beziehungen, Abhängigkeiten), als es nach der klassischen Physik zu erwarten wäre. Voraussetzung für einen praktisch anwendbaren Quantencomputer wäre es, Millionen von Quantenteilchen kontrolliert in einen dieser speziellen Zustände zu versetzen. Der von Zoller erwähnte Zeithorizont bezieht sich auf den mühsamen Weg, diese höchst flüchtigen Zustände zu stabilisieren. Derzeit können mit Methoden der Quantenoptik einige Teilchen kontrolliert werden. Sollte der von Cirac, Zoller et al. in Nature publizierte Vorschlag im Experiment funktionieren, könnten schon in wenigen Jahren Atomuhren in ihrer Genauigkeit um den Faktor von drei Kommastellen verbessert werden. Zoller nennt als Beispiel für die konkrete Anwendung das GPS-System, das sich im Wesentlichen aus Zeit- und Frequenzmessung zusammensetze. Würde sich die Genauigkeit der Zeitmessung im genannten Umfang erhöhen, wäre eine drastische Erhöhung der Präzision von GPS-Messungen und damit von inzwischen weit verbreiteten Positionierungsgeräten die Folge. Derzeit sind Atomuhren in ihrer Genauigkeit durch Quanteneffekte begrenzt. Theoretisch weiß man seit langem, dass eine größere Präzision durch verschränkte Atome erreichbar wäre. Der Vorschlag von Cirac und Zoller zeichnet nun einen Weg vor, dieses Problem durch die Nutzung so genannter Bose-Kondensate zu lösen. Bose-Kondensate sind ein spezieller Quantenzustand bei extrem niedrigen Temperaturen. Während die Atome eines Gases bei Zimmertemperatur unkorreliert durcheinander fliegen, entsteht bei extrem niedrigen Temperaturen eine ganz neue Art von Quantenflüssigkeit. Typischerweise enthielten die Bose-Kondensate etwa zehn Millionen Atome und alle seien gleich ausgerichtet, eben "verschränkt". Dieser korrelierte Zustand entspreche der Anforderung, die Genauigkeit einer Atomuhr in der genannten Größenordnung zu erhöhen. Im Rahmen der European Space Agency (ESA) läuft derzeit mit Milliardenaufwand ein Projekt, das darauf abzielt, eine Atomuhr in einem Satelliten fliegen zu lassen und durch das veränderte Verhalten der Atome im gravitationslosen Zustand die angestrebte höhere Genauigkeit zu erreichen. Sollte hingegen der Vorschlag mit den Bose-Kondensaten in der Praxis funktionieren, könnte viel Geld gespart werden. Warum die an genaueren GPS-Systemen Interessierten sich nicht mit aller Energie auf diese Idee stürzen, begründet Zoller damit, dass es sich um risikoreiche Grundlagenforschung handle, während das Satellitenprojekt aufwendige, aber bekannte Methoden verwende. Ein direkter Schritt vom Experiment mit den Bosekondensaten in Richtung Quantencomputer sei leider nicht möglich, betont Zoller. Beim Quantencomputer komme es darauf an, viele sehr kalte Atome zu haben, die aber einzeln mit dem Laser manipulierbar sein müssen. Die gleichgeschalteten Atome im Bose-Kondensat könne man ber nicht einzeln adressieren. Zu den absehbaren herausragenden Leistungen von Quantencomputern zählt das Zerlegen von Zahlen in Primfaktoren - eine Aufgabe, mit der sich herkömmliche Computer sehr schwer tun. Einen Zustand beamen Zoller kommt auch auf die Teleportation zu reden - volkstümlich als "Beamen" bekannt. Dem vor zwei Jahren nach Wien abgewanderten Anton Zeilinger ist in Innsbruck erstmals eine derartige Teleportation mit einem Photon gelungen. Zoller bezeichnet sie als "übernächste Generation von Experimenten" und räumt mit Science-Fiction-geprägten Vorstellungen auf: Schon das Beamen eines Staubkorns werde nie funktionieren, geschweige denn gar eines Menschen. "Gebeamt" werde nicht Materie, sondern ein Zustand: "Auf der einen Seite haben Sie eine Vase und auf der anderen einen Klumpen Lehm aus dem gleichen Material. Dann zerschlagen Sie die Vase, und der Lehmklumpen nimmt die Form der Vase an." Teleportation heißt also, etwas kaputt zu machen, während mehr oder weniger weit entfernt etwas bereits Vorhandenes den entsprechenden Zustand annimmt. Die beiden Innsbrucker Institute arbeiten im Rahmen eines vom FWF unterstützten Sonderforschungsbereiches mit den Wiener Instituten von Anton Zeilinger und Helmut Rauch (Experimentelle Kernphysik an der Technischen Universität) zusammen. Eingebettet ist das Institut auch in von der EU geförderte Netzwerke. Kooperationen seien in der Quantentechnologie besonders wichtig, meint Zoller: "Um erfolgreich arbeiten zu können, braucht es eine kritische Masse von Leuten." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 2. 2001).