Austin - Für geteiltes Echo sorgt die Entscheidung des Berufungsgerichts in San Francisco gegen die Musiktauschbörse Napster Inc, Redwood City, unter Analysten. Am Montagabend (Ortszeit) hatte das Neunte Berufungsgericht entschieden, dass der Internet-Tauschring den Austausch von urheberrechtlich geschütztem Material einstellen muss. Optimisten halten die Schlacht um den freien Tausch von urheberrechtlich geschützter Musik im Internet noch lange nicht für geschlagen. "Hat die Musikindustrie wirklich jedes Leck im Boot gestopft? Das sicher nicht", sagte John Corcoran, Analyst bei CIBC World Markets Corp. Nach seiner Ansicht werden die bisherigen Napster-Nutzer einfach auf das Angebot einer der anderen, weniger bekannten Tauschbörsen ausweichen, von denen es nach seiner Schätzung rund ein Dutzend gibt. Allerdings räumte Corcoran ein, dass mit dem Urteil gegen Napster doch eines der größten "Löcher" im Musikbetrieb vorerst gestopft worden ist. Brian Alger, Analyst bei Pacific Growth Equities Inc, sieht die Musikindustrie als unangefochtenen Sieger in der gerichtlichen Auseinandersetzung. Das Urteil sei ein Meilenstein, weil es einen Präzedenzfall im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet sei. Todesstoß für Napster Branchenbeobachter sind davon überzeugt, dass das Urteil von San Francisco Napster den Todesstoß versetzt hat, weil es das größte Plus des Unternehmens - den freien Zugriff auf urheberrechtlich geschützte Musiktiteln - auslöscht. Die Anwälte der Tauschbörse hatten zwar unmittelbar nach Verkündung des Urteils Berufung angekündigt. Ihrer Ansicht nach teilen sich Napster-Nutzer die heruntergeladene Musik nur und nutzen sie nicht kommerziell. Branchenkenner räumen dieser Argumentation aber wenig Aussichten auf Erfolg ein. Nach Ansicht von Jeffrey D. Neuburger, Partner in der auf E-Commerce-Belange spezialisierten New York Rechtsanwaltskanzlei Brown Raysman Millstein Felder & Steiner, stellt der Gerichtsbeschluss vielmehr einen Meilenstein in der Internet-Rechtssprechung dar: "Das Urteil sendet eine klare Nachricht, auf die die Inhaber von Urheberrechten schon lange gewartet haben, und die lautet: Mit Verletzungen des Copyrights kommt man nicht durch". Die "Vogel-Strauß-Politik" ziehe bei derartigen Verstößen nicht mehr. Aus Neuburgers Sicht hätte das Urteil gegen Napster aber auch noch schärfer ausfallen können. "Klarer Sieg" für Recording Association of America Für die Recording Association of America ist der Urteilsspruch hingegen ein "klarer Sieg", wie Präsidentin Hilary Rosen sagte. Für Analysten steht ebenfalls fest, dass Napster die Geschäftsgrundlage entzogen sein wird, wenn das Unternehmen die Berufung nicht gewinnen sollte. Denn der Musiktauschbörse werden schlicht und einfach die Kunden fehlen, wenn sie nicht wie bisher auf ein breites Angebot an Musik zurückgreifen kann. Für Nutzer seien aber vor allem die Musiktitel interessant, die urheberrechtlich geschützt sind. Auch auf jeden Versuch, den Tausch nur noch gegen Gebühr zu vollziehen, dürfte die bisherige Fangemeinde des Unternehmens allergisch reagieren, wird unter Analysten vermutet. Phil Leigh, Analyst bei Raymond James & Associates Inc, hält nach dem Urteil vom Montag verschiedene Szenarien für möglich. Im ersten Fall könnten sich die Napster-Fans zusammenschließen und eine Neuregelung der Lizenzierungspolitik für Online-Musik erzwingen. Ziel wäre es, den Tausch und das Abspielen von Musiktiteln gegen Zahlung einer automatischen Lizenzgebühr jederzeit zu ermöglichen. Ein zweites Szenario sieht die Abwanderung der "Napsterianer" zu einem anderen, weniger bekannten Tauschdienst vor, der der Musikindustrie noch nicht geläufig ist und gegen den sie ihre Kanonen noch nicht in Stellung gebracht hat. Es könnte aber auch einen ausländischen Ableger der Napster-Idee geben, der die alten Kunden der ursprünglichen Tauschbörse an sich binden könnte. (APA/vwd)