Oslo - Eine ganze Flut von innerparteilichen Sexskandalen hat den Höhenflug des norwegischen Rechtspopulisten Carl I. Hagen jäh gestoppt. Nachdem am Dienstag alle Osloer Zeitungen in großer Aufmachung über Vergewaltigungsvorwürfe gegen Hagens Stellvertreter und "Kronprinz" Terje Söviknes berichteten, musste der oft mit dem Österreicher Jörg Haider verglichene Hagen zugeben, dass er mit rapide sinkenden Umfrage-Werten derzeit "schwere Stunden und schlaflose Nächte" durchzustehen hat. Vor dem Jahreswechsel war seine Partei bei Umfragen mit deutlich über 30 Prozent zur stärksten politischen Kraft geworden, ließ die Sozialdemokraten von Ministerpräsident Jens Stoltenberg weit hinter sich und bereitete sich auf die Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung vor. Diese Träume dürften für lange Zeit ausgeträumt sein. Vorläufiger Höhepunkt einer beispiellosen Serie von immer hässlicheren Sex- Beschuldigungen innerhalb der Partei war zu Wochenbeginn das Eingeständnis von Söviknes, er habe bei einem Parteitag der Jugendorganisation mit einer 16-Jährigen sexuell verkehrt. Dass er den seit längerem in der Partei kursierenden Vergewaltigungsvorwurf des Mädchens mit dem "Argument" konterte, beide Beteiligten seien betrunken gewesen, machte das Bild für die Öffentlichkeit nicht besser. Als "Mann in den Dreißigern" hätte er sich vielleicht doch nicht mit einem so jungen Mädchen einlassen dürfen, war alles, was der "Kronprinz" an Entschuldigung im Fernsehen vorzubringen hatte. Kastration von Vergewaltigern Söviknes will politisch weiter aktiv bleiben und macht für sich das "Recht auf Vergebung" geltend, während die Jugendorganisation seiner stramm für "Recht und Ordnung" und vor allem für eine schärfere Ausländerpolitik eintretenden Partei die chemische Kastration von Vergewaltigern verlangt. Allerdings nur im Wiederholungsfall. Dass sexueller Missbrauch weiblicher Mitglieder bei Veranstaltungen der Fortschrittspartei generell kein Einzelfall sei, hatte vor einer Woche die 21-jährige Cathrin Rusföen vom Rednerpult eines Bezirksparteitags verkündet. Vor völlig versteinerten Delegierten erklärte sie, selbst von einem führenden und bekannten Funktionär vergewaltigt worden zu sein und von weiteren Fällen zu wissen. Die Parteiführung musste danach bekennen, dass sie schon im letzten Herbst von diesen ungeheuerlichen Behauptungen gewusst habe. Die zweite Vizechefin, Siv Jensen, brach vor der für das kleine Norwegen höchst ungewöhnlichen Kulisse von 100 Journalisten in Tränen aus, als sie die eigenen Vertuschungsversuche damit begründete, dass sie "schließlich keine Krisenpsychologin" sei. Hagen hatte die Enthüllungen der 21-jährigen Rusföen sogar noch mit verächtlichen Kommentaren abgetan, für die er sich nun entschuldigen musste. "Nach oben geschlafen" Jensen hatte zuvor einen weiteren bizarren Beitrag zur Sex- Schlammschlacht in ihrer Partei geliefert. Ohne Nennung von Namen anderer wies sie in einer Pressekonferenz innerparteiliche Gerüchte zurück, wonach sie sich bei ihrer steilen Karriere "nach oben geschlafen" habe. Ebenso grundlos seien alle Behauptungen über lesbische Beziehungen. Bei dieser Gelegenheit machte sich die wortgewandte Vizechefin mit Söviknes an ihrer Seite auch noch über gerüchteweise Vergewaltigungsvorwürfe lustig. Auslöser dieser ruinösen Entwicklung war der Versuch Hagens, seine Partei von allzu rabiaten Rechtsaußen zu "säubern". Auf dem Weg zu bürgerlicher Stubenreinheit und damit zu Ministerposten wollte der als diktatorisch geltende Parteichef nicht über allzu offensichtlich rassistische und ausländerfeindliche Funktionäre stolpern. Die aber wehrten sich weit härter als erwartet mit Mitteln, derentwegen sie im norwegischen Alltag "Värstinge", die "Übelsten" genannt werden. (APA/dpa)