Rund 500 Jahre nach der Eroberung Lateinamerikas haben Wissenschafter der Universität Jena Licht in die kommerziellen Hintergründe einer beispiellosen Expansion gebracht. Der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Rolf Walter legt erstmals nahezu 1.000 Notariatsakten aus den Archiven von Sevilla und Cadiz der Öffentlichkeit vor, wie die Universität am Dienstag in Jena informierte. Nicht um die Abenteuer der wagemutigen Seefahrer wie Christoph Columbus oder Amerigo Vespucci geht es in den Papieren, sondern um Darlehen, Bürgschaften und Wechselgeschäfte. Desweiteren geht es um große Namen der oberdeutschen und norditalienischen Hochfinanz: um die Fugger und Welser, um die Spinola und Cattaneo, die gemeinsam mit anderen die Expeditionen für die spanische Krone finanzierten. So habe etwa Bartholomäus Welser mit Kaiser Karl V. im Jahr 1528 einen so genannten Asiento, einen Generalvertrag, über das heutige Venezuela vereinbart, informierte Walter. Welser habe die Flotten, ihre Ausrüstung und Besatzung finanziert und im Gegenzug das Land zum Lehen erhalten sollen. Bei der Loaisa-Expedition 1525, die im Pazifik gescheitert sei, hätten die Fugger 10.000 Dukaten "Venture Capital" verloren, was sie als echte "global players" sicherlich verschmerzt hätten. Immerhin hätten die Augsburger Kaufleute versucht, den Verlust bei der spanischen Krone wieder einzuklagen, womit sie jedoch erfolglos geblieben seien. Den Fuggern sei sogar das heutige Chile zugedacht worden. Ein entsprechender Vertrag sei zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert worden. Dagegen hätten die Welser ihre besten Leute in die Neue Welt geschickt, wo auch Familienmitglieder ihr Leben verloren hätten. Nach Walters Darstellungen blühte der Handel mit Gold und Silber, Edelsteinen und Perlen. Auch in das Geschäft mit Sklaven seien deutsche Kaufleute verwickelt gewesen. Amortisiert hätten sich die hohen Investitionskosten letztlich nicht. So habe Jakob Fugger Karl V. 1523 in einem Brief eindringlich daran erinnern müssen, wer ihm vier Jahre zuvor die Kaiserwahl finanziert habe. Zudem habe es Karls Nachfolger Philipp II. geschickt verstanden, die ausländischen Geldgeber allmählich aus dem Lateinamerika-Geschäft zu verdrängen. Doch die Eroberungen hätten nicht nur zu einer Teilung der Welt in eine spanische und eine portugiesische Hemisphäre geführt; das Abendland sei auch durch eine Reihe neuer Konsumgüter wie Kakao, Tabak, Paradeiser, Erdäpfel, Mais, Erdnüsse, Vanille und Bohnen verändert worden, sagte der Historiker. (AP)