Eisenstadt - So leicht kann ein Generaldirektor das Generaldirektorhafte nicht abstreifen. Vor allem dann nicht, wenn es um die Generaldirektion geht. Etwas, wovon sichtlich nur der Generaldirektor eine Ahnung hat. Keinesfalls aber die junge Richterin, die junge, oft unwirsch fragende Staatsanwältin, der junge Sachverständige hinter seinem Laptop. Das kann den Generaldirektor ganz schön verärgern. Vor allem, weil er jetzt ja kein Generaldirektor mehr ist, sondern ein Angeklagter, dem schwere Untreue vorgeworfen wird. Seine eigene Bank soll er um 1,8 Milliarden Schilling geschädigt haben. Wissentlich sich betrügen haben lassen. Unter anderem durch etwas, das in Deutschland "Grundschuldbriefe" heißt und hierzulande nicht nur unüblich, sondern mehr oder weniger unbekannt gewesen ist. Um diese Grundschuldbriefe - handelbare hypothekarische Schuldverschreibungen - ging es am zweiten Prozesstag gegen Ernst Gassner, der so schwer aus seiner Generaldirektorenrolle findet, dass er sich bei praktisch jeder Frage resigniert zurücklehnt und "Sehen Sie, Frau Rat" oder "Sehen Sie, Frau Staatsanwalt" sagt. Und dann, als er merkt, dass beide auf etwas so Geläufiges hinauswollen wie die so genannte "Werthaltigkeit" der Grundschuldbriefe, sagt er zum Beispiel: "Ich sag's Ihnen, wie ich's verstehe und kann aber verstehen, dass sie das nicht verstehen wollen." Und die Vorsitzende, Andrea Rosensteiner, muss dann einwenden: "Jetzt red' ma wieder gegeneinander, wie immer, wenn etwas eigenartig ist." Zentraler Satz Der zentrale Satz des überraschend kurz gehaltenen zweiten Verhandlungstages - schon vor Mittag wurde vertagt - kam von Verteidiger Herbert Eichenseder. "In die Fragestellung", meinte er zur Richterin, "schleicht sich unbewusst die heutige Sicht ein." Abgesehen davon, dass dies wohl in allen Prozessen so ist, geht es ja auch um genau diesen Umstand. Heute weiß man, dass praktisch alle diese Grundschuldbriefe - sie dienten zur Besicherung von Krediten, die wiederum als Kapitalaufstockung von Hom-Ruschs AG dienten - wertlos waren. Begutachtet von einem Düsseldorfer Gutachter, der weder beeidet war, noch sich auf besondere Seriosität berufen konnte. Er fälschte - das ist den Aussagen des Zeugen der Wirtschaftspolizei zu entnehmen - die Schätzgutachten mehr oder weniger am laufenden Band. Ernst Gassner beruft sich auf die Undurchschaubarkeit dieser von Hom-Rusch selbst beigestellten gutachterlichen Machenschaften. "Sie wollen", sagt er einmal verärgert und dreht so heftig an seinem Sakkoknopf, dass man um die Haltbarkeit des Zwirns fürchtet, "dass ich ein Gutachten vorlege, das die Glaubwürdigkeit des Gutachtens prüft."

Im Prinzip ist genau das der Prozessgegenstand: Ist die formale Korrektheit ausreichend, um der kaufmännischen Sorgfaltspflicht nachzukommen? Oder geht es auch um Inhalte, die man im Jargon "Werthaltigkeit" nennt? (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, Printausgabe 14.2.2001)