Franz Morak

Der Versuch des Andreas Khol, die Idee der Bürgergesellschaft auf österreichische Verhältnisse zu übertragen, hat ihm viel Kritik, ja Spott eingetragen. Beides ist ungerecht und basiert auf Vorurteilen, die in sich recht widersprüchlich sind.

Immer noch gibt es solche, die das Wort "Gemeinschaft" mit dem hämischen Hinweis auf die "Volksgemeinschaft" der Nationalsozialisten abwehren; manchmal sind es die Gleichen, die darauf hinweisen, dass die Bürgergesellschaft amerikanischen Ursprungs und so fest mit den amerikanischen Traditionen verbunden sei, dass sie hier nicht funktionieren könne. Tatsächlich ist dieser enorme Anteil des Staates an allen gesellschaftlichen Belangen ein unheilvolles Charakteristikum der politischen Kultur unseres Landes, eine Fessel jeder persönlicher Initiative.

Die österreichische Sozialdemokratie, deren politische Macht auf einem Jahrzehnte alten, verschlungenen Klientelsystem basiert, hat diese Tendenz in massiver Weise verstärkt; es ist kein Zufall, dass der Protest gegen die Bürgergesellschaft dort sein Zentrum hat. Hier wurde systematisch eine Mentalität gezüchtet, in der gesellschaftliche Verantwortung auf die Frage reduziert worden ist, wem wie viel vom Staat zusteht.

Mit Staatsgeldern kann man leicht großzügig sein, aber es sind unsere Steuern, aus denen anstehende Ansprüche beglichen werden und angesichts der Staatsschulden und EU-Kriterien des Staates beginnt vieles, das lebenswichtig ist, zunehmend unfinanzierbar zu werden.


Engagiert und flexibel

Hier können die Gemeinschaften ansetzen. Sie sind in der Regel mit der Problemlage besser vertraut, handeln engagiert und flexibel und ihr Wirken ist um einiges billiger als die ausschließlich staatliche Intervention. Ich weiß, dass Gemeinschaften in Österreich im ländlichen Leben stärker verbreitet sind als im städtischen, das macht es den Kritikern der Idee der Bürgergesellschaft leicht, das Gespenst einer von der Blasmusik und der freiwilligen Feuerwehr beherrschten Republik aus der Mottenkiste zu ziehen.

Tatsächlich kommt es darauf an, die Idee der Bürgergesellschaft zu urbanisieren. Amitai Etzioni, einer der Sprecher der amerikanischen Bewegung der Kommunitarier, berichtet beispielsweise die folgende Geschichte, wie Gemeinschaften auch das städtische Leben bereichern können: In Seattle hat die Anschaffung einer vermehrten Anzahl von jenen speziellen Rettungswägen, die zur Reanimierung von Infarkt-Patienten eingesetzt werden, keine Lösung gegen die unerträglich hohe Rate von Infarkt-Toten gebracht.

Die Wägen sind teuer, brauchen hoch qualifiziertes Bedienungspersonal und stehen den Großteil der Zeit sinnlos herum, weil eben nicht jeden Tag Infarkt-Wetter ist. Also haben unzählige BürgerInnen in Kursen die lebensrettende Erstversorgung gelernt - und seither ist die Todesrate dort kräftig gesunken.

Für das Kulturleben hat die Verwirklichung der Bürgergesellschaft zahllose Vorteile. Kunst liegt hierzulande nicht in der Verantwortung der BürgerInnen, sie ist das, was der Staat mit seinen gigantischen Apparaten aus Beamten, Kuratoren und Beiräten gefälligst fördern soll.

Das Wittmannsche "Weißbuch" mit seinem "ceterum censeo" (so Andreas Mailath-Pokorny) "mehr (staatliches) Geld für die Kunst" verstärkt diesen Zustand und ist zudem, was die Finanzierbarkeit betrifft, ähnlich fragwürdig wie der Haidersche Kinderscheck.

Den Künstlerinnen und Künstlern ginge es besser, wenn ihr primärer Ansprechpartner nicht der Staat wäre, sondern seine Kunstinteressierten BürgerInnen. Ich träume manchmal davon, dass alle, die für ihre "Startwohnung" einen - gar nicht so billigen - Kunstdruck im Möbelhaus kaufen, eine Druckgrafik heimischer Provenienz erwerben; dass sie später eine ernsthafte künstlerische Arbeit kaufen und in der Phase der finanziellen Konsolidierung ein dauerhaftes Kundenverhältnis zu "ihrer" Galerie begründen.

Das hätte einen schönen Nebeneffekt: Die bürgerliche Verantwortung für die Kunst macht die Kunstförderpolitik des Zwio Infernals Klima/ Wittmann überflüssig.
Franz Morak ist Abgeordneter zum Nationalrat und ÖVP-Kultursprecher.