Straßburg - Das Europäische Parlament hat am Mittwoch ein seit drei Jahren diskutiertes EU-Gesetz über den Urheberschutz mit nur geringfügigen Änderungen angenommen. Nun müssen noch die EU-Länder im EU-Ministerrat darüber beraten. Akzeptieren sie alle Änderungswünsche des Parlaments, wozu sich die EU-Kommission schon bereit erklärt hat, kann das Gesetz in der heutigen Fassung beschlossen werden. Anderenfalls müssten Europaparlament und EU-Ministerrat noch einen Kompromiss suchen. Das Gesetz regelt, unter welchen Bedingungen urheberrechtlich geschützte Werke im digitalen Zeitalter kopiert werden dürfen. Um der rasanten Entwicklung der Technik Rechnung zu tragen, beschloss der Gesetzgeber schon jetzt, alle drei Jahre das Gesetz wieder unter die Lupe zu nehmen. Erwünschte Balance Nach Ansicht der meisten Abgeordneten findet das Gesetz eine Balance zwischen den Interessen der Autoren, der Industrie und den Konsumenten. So meint SPÖ-Abgeordnete Maria Berger, im Vergleich zu früheren Fassungen gebe es jetzt einen deutlich besseren Schutz der Konsumenten; eine Balance sei gefunden. "Mit der Richtlinie sichern wir das geistige Eigentum der Autoren, Künstler und Urheber und ermöglichen gleichzeitig einer breiten Öffentlichkeit den Zugang auf diese Werke", meinte der ÖVP-Abgeordnete Othmar Karas. Die Grüne Abgeordnete Mercedes Echerer, die Änderungsanträge zur Stärkung der Rechte der Autoren einbracht hatte, kritisierte hingegen, dass die Rechte der Künstler zu wenig geschützt würden. Vor der Abstimmung erklärten sich etwa ein Dutzend Abgeordnete für so befangen, dass sie zumindest in Teilbereichen nicht an der Abstimmung teilnehmen wollten. Dazu gehörten neben Mercedes Echerer auch der für die SPÖ kandidierende Journalist Hans-Peter Martin. "Hyänenlobbying" Der Abstimmung war "ein bisher beispielloses Lobbying der Interessenverbände" vorausgegangen, berichteten die Abgeordneten: Es gab ein "noch nie dagewesenes Lobbying", so die SPÖ-Abgeordnete Maria Berger, ein "Hyänenlobbying" so die Grüne Abgeordnete Mercedes Echerer. Noch nie sei es um so viel Geld und so unterschiedliche Interessen gegangen, so Berger. Der wesentlichste Änderungswunsch der Abgeordneten bezieht sich auf eine Formulierung, wonach Urheber eines Werkes genannt werden müssen, "außer in Fällen, in denen dies nicht möglich ist". Die bisherige Formulierung hatte gelautet "wann immer dies möglich ist". Außerdem sollen private Vervielfältigungen "durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch und weder für direkte noch indirekte kommerzielle Zwecke" erlaubt sein, statt wie bisher vorgesehen "zum privaten Gebrauch durch eine natürliche Person für nicht kommerzielle Zwecke". Weiters sollen die Mitgliedsländer verpflichtet werden, innerhalb von 18 Monaten das EU-Recht in nationale Gesetze umzusetzen. Die Mitgliedsstaaten hatten sich eine Frist von zwei Jahren gewünscht. 22 Ausnahmen verankert Das zentrale und bis zuletzt umstrittene Problem ergibt sich daraus, dass sich digitale Werke ohne Qualitätsverlust und mit minimalem Aufwand vervielfältigen lassen. Um Künstler zu schützen, musste das Kopieren der Werke ohne Zustimmung des Autors verboten werden. Zugleich wurden 22 Ausnahmen vorgesehen, in denen Kopieren ohne Zustimmung des Autors möglich sein soll. Dazu gehört insbesondere die Möglichkeit, dass Provider im Internet kurzfristig flüchtige Kopien erstellen, um Werke zu übermitteln. Bei allen weiteren Ausnahmen steht es den Mitgliedsländern frei, sie zu gewähren. Was legal ist und was nicht, wird daher in Zukunft von EU-Land zu EU-Land unterschiedlich sein. Zu den möglichen Ausnahmen gehören Kopien aller Art für den privaten Gebrauch, etwa eine Videoaufzeichnung einer Fernsehsendung, die man sich im Wochenendhaus ansehen will. Außerdem ist die Vervielfältigung auf Papier zulässig, wenn der Urheber eine Entschädigung erhält. Frei sind Vervielfältigungen in Bibliotheken, Archiven und Museen ohne kommerzielle Zwecke, die Aufzeichnung nationaler Fernsehsendungen in amtlichen Archiven, nicht kommerziell genutzte Vervielfältigungen in Krankenhäusern und Haftanstalten, so es einen "gerechten Ausgleich" für Autoren gibt. Für Unterricht und Wissenschaft dürfen Werke vervielfältigt werden, wenn die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers genannt wird, falls dies nicht unmöglich ist. Ebenso dürfen Behinderte, die Presse, Organe der öffentlichen Sicherheit und der Verwaltung für ihren Bedarf kopieren. Beiträge für politische Reden und religiöse Veranstaltungen mit Quellennennung und ohne kommerzielle Interessen dürfen auf kopiertes Material zurückgreifen. Auch für Karikaturen und "die beiläufige Einbeziehung eines Werks in anderes Material" darf kopiert werden. Autorenabgaben auf Hardware oder aber Kopierschutz Das EU-Gesetz erlaubt den Mitgliedsländern zur Entschädigung von Autoren die Einhebung pauschaler Abgaben auf Geräte oder Datenträger, wenn diese vorrangig zum Kopieren verwendet werden. Damit sei klar, dass es nicht zu einer Autorenabgabe auf Festplatten kommen könne, so die SPÖ-Abgeordnete Maria Berger. Denn Festplatten würden nur zu einem geringen Teil zum Kopieren urheberrechtlich geschützter Werke verwendet. Pauschale Abgaben zur Entschädigung der Autoren dürfen aber künftig nicht eingehoben werden, wenn es für den Datenträger einen technischen Kopierschutz gibt, betont Berger. Technisch werde daran gearbeitet, dass Werke beispielsweise nur mehr einige wenige Male oder nur auf registrierte Geräte kopiert werden können. Wenn es einen solchen Kopierschutz gebe, dürften die Konsumenten nicht zusätzlich mit einer pauschalen Abgabe auf Hardware belastet werden. Die Mitgliedsländer werden in dem Gesetz auch verpflichtet, das Umgehen und Entfernen von Kopierschutz strafbar zu machen. Rechtsmittel sollen auch gegen "Vermittler, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden", geschaffen werden. Sendeunternehmen entscheiden über die Aufzeichnung ihrer Sendungen, Urheber über die Verbreitung ihrer Werke. Die Rechte für Aufzeichnungen erlöschen 50 Jahre nach Aufzeichnung bzw. nach Veröffentlichung. Das neue Gesetz berührt nicht Computerprogramme, Satellitenübertragung, Kabelübertragung, Verleihrechte und den Schutz von Datenbanken. Unberührt bleiben auch Bestimmungen zu Patentrechten, Marken, Musterrechten, Gebrauchsmuster, Topographien von Halbleitererzeugnissen, typographischen Schriftzeichen, Zugangskontrollen, Zugang zum Kabel von Sendediensten, zum Schutz nationalen Kulturguts, zu Anforderungen im Bereich gesetzlicher Hinterlegungspflichten, Rechtsvorschriften über Wettbewerbsbeschränkungen und unlauteren Wettbewerb, Betriebsgeheimnissen, Sicherheit, Vertraulichkeit, Datenschutz und Schutz der Privatsphäre, Zugang zu öffentlichen Dokumenten sowie Vertragsrecht, wie im Gesetzesvorschlag aufgelistet wird. (APA)