Er möchte bis Herbst einen Josefstadt- Direktor gefunden haben. Peter Marboe greift den Wiener Gemeinderatswahlen nicht vor. Aber er gibt Ronald Pohl zu verstehen: Seine Theaterpolitik bedürfte einer zweiten Amtszeit. Und Bürgermeister Häupl wirbt um ihn. STANDARD: Sie haben als Subventionsgeber Dreijahresverträge abgeschlossen, um für die Privattheater und freien Gruppen eine gewisse Planungssicherheit zu gewährleisten. Das Ergebnis war die Einzementierung der Verhältnisse: Praktisch jede Mittelbühne konnte arbeiten wie ehedem; die meisten Dreijahresverträge wurden 2000 völlig selbstverständlich verlängert. Hat man hier nicht Spielräume mutwillig eingeengt? Marboe : Aber wir haben doch erstmals den Übergang zu einer wirklich seriösen Theaterplanung ermöglicht! Alle europäischen Städte bewundern uns für dieses Modell. Ich hatte ja auch eine Reihe von Verschuldungen übernommen. Ihre Kritik, die ich durchhöre, richtet sich doch in erster Linie auf die Zeit vor meiner Amtsführung, als die bestehenden Verhältnisse geschaffen wurden. Unklare Strukturen, gerade was die Zeitdauer der Theaterleitungen betrifft. Der Appell an mich lautete doch, Strukturen zu verändern, die sich in Wien über 20, 30 Jahre - in einer politischen Fehlentwicklung - herausbilden konnten. Weil man nicht definiert hat, was man von den Theaterleitern überhaupt will. SP-Sprecher Woller hat vor dem Kulturausschuss gesagt, dass das Modell von der Finanz so verwässert werde, dass eh nichts herauskommt. Dann wurde das Modell koalitionär abgesegnet. Man kann dessen Wichtigkeit daran ablesen, dass es keine Neuverschuldungen gibt. Es folgte der "Theater-Dienstag", mit dem 50.000 Besucher gewonnen wurden; der Nestroy- Preis. Ein ganzes Paket! STANDARD: Alles Akte einer wünschenswerten Konsolidierung. Doch das künstlerische Antlitz der Theaterstadt Wien hat sich dadurch doch nicht gravierend verändert? Marboe : In den Bereichen, in denen ich neu beginnen konnte, ist ganz klar definiert, was wir von den Intendanten und Direktoren erwarten und innerhalb welcher Zeiträume. Nehmen Sie den Tanz-, den Kindertheater-, den Filmbereich: Da kann es diese Probleme gar nicht mehr geben! Da steht drin: Sie werden für drei oder vier Jahre bestellt, eine einmalige Wiederbestellung ist möglich; dann kommt die Erneuerung. Meine Nachfolger werden die Probleme, die ich zu bewältigen hatte, gar nicht mehr vorfinden! Früher wurde der Aufbau von Theatern ermöglicht, ohne darüber nachzudenken, ob sie wo hineinpassen, wie lange eine Leitung amtieren soll - alles ungeregelt! Es gibt ja auch rechtliche Gegebenheiten: Hauptmieten, Eigentumsrechte. Leute wie Erwin Piplits, Dieter Haspel oder Helga Illich sagen: Wir haben das alles, unter widrigsten Umständen, zum Leben erweckt! Jetzt sind wir überflüssig? Jetzt sollen wir gehen? STANDARD: Aber eine ganze "Kindergeneration" wurde solcherart übersprungen oder zur Anpassung verführt oder zum Auswandern gezwungen. Der Unmut, der anlässlich der sehr späten Schauspielhaus-Ausschreibung laut wurde, kam bereits von den "Enkeln". Und ist auch nur unter diesem Zeithorizont zu verstehen. Marboe : Sekunde! Fatalistisch gesehen lässt sich auch sagen: Man wird in Wien keine zweite Staatsoper bauen können! STANDARD: Der Staatsopern- Direktor hat auch keinen Vertrag auf Lebenszeit. Marboe : Ich habe versucht, mit einem Erbe umzugehen und es in eine neue Richtung zu lenken. Und das gelingt ja auch. Es ist mühsam. Wenn man jemanden auf ein falsches Gleis gestellt hat, kann man nicht plötzlich sagen: He, Sie fahren in die falsche Richtung! Geben wir den Theatern die ehrliche Chance zu zeigen, was sie können. Ohne dass sie im Dezember zittern müssen, ob sie im Jänner ein Geld kriegen. Wir als Politiker müssen ein Maximum an Ermöglichung zur Verfügung stellen. Ohne dass man etwas tut, was ich rundheraus ablehne: zu intervenieren und Subventionsdruck auszuüben. Das sind Schreckenswörter, links wie rechts. Wir haben also eine Basis geschaffen, keine Lösung. Und jetzt wird evaluiert: Neue Autoren müssen sein; eine freie Gruppe soll adoptiert werden; Internationalität muss angestrebt werden. Die nächste Frage ist der Transfer von Theaterleitungen. Hier sollen akkordierte Lösungen stattfinden, sprich: Ein Theater, das seine eigene, unverwechselbare Geschichte entwickelt hat, soll eine gedeihliche Hofübergabe vornehmen können. Da, wo wir beginnen können, wird ausgeschrieben. STANDARD: Es wurde kolportiert, dass Sie, unabhängig vom Ergebnis allfälliger Koalitionsverhandlungen, eine zweite Amtsperiode wahrnehmen könnten - eventuell als Parteiloser. Ehrt Sie das? Marboe : Das kann man zunächst auch als Kompliment auffassen. In Wahrheit stellt sich die Frage natürlich anders: Möchte man die Fortsetzung einer offenen, auf dem Boden des VP-Parteiprogramms stehenden Kulturpolitik? Oder will man Umverteilung, Subventionsdruck und offene Intervention, wie sie von einer rot-grünen Politik zu gewärtigen sind? Wenn ich höre, im Josefstadt-Theater würden zu wenige "türkische" Stücke gespielt ... Ich habe Wiener Aufführungen in Hebräisch, Ukrainisch oder Rumänisch gesehen, wo ist das Problem? Wenn ich höre: Auf die Wiener Philharmoniker soll "Druck" ausgeübt werden, damit sie eine "Frauenquote" einführen - ja, wer sind denn wir Kulturpolitiker? Die Philharmoniker sind ein Weltphänomen. Hier wird eindeutig die Dimension verfehlt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 2. 2001)