Wien - Hauptverband? Der Sozialversicherer? Was ist das?" Herr Wilhelm schaut verwundert: "Nein, das interessiert mich überhaupt nicht." Herr Wilhelm sitzt im Warteraum der Unfallambulanz des Wiener AKH und wartet auf seine Nachbehandlung. Bei einem Arbeitsunfall hatte er sich die rechte Hand verletzt. Sein einziges Ziel daher: Eine gute Versorgung und "gesund werden". Kaum ein Tag, an dem Politiker nicht über eine Reform des Hauptverbandes wie auch die mögliche Ablöse des Präsidenten Hans Sallmutter diskutieren, Medienbegleitung eingeschlossen. Die Bevölkerung interessiert das kaum - wie ein Lokalaugenschein im Wiener AKH zu beweisen scheint. Den Namen "Sallmutter" kennt Wilhelm schon; auch wenn er mit dem Hauptverband nichts anzufangen weiß: "Ob Sallmutter der Präsident ist oder ein anderer . " Und schon klingt das "Die da oben, die richten sich’s eh" durch die Ambulanz. "Sparen muss sein" Frau Beate wartet auf ihren Mann, der beim Röntgen ist. Sie verfolgt - aber nur "vage" - via Wochenzeitungen den Streit um den Hauptverband. Ihre Einschätzung: "Ich verstehe, dass eine Partei die eigenen Leute auf gewisse Posten hieven will." Letztlich sei dies also alles nur ein "Austausch der politischen Farben". Eines sei klar: Es müsse eingespart werden. Etwa beim Verschreiben von Medikamenten. "Man muss nicht jedes Aspirin fünfmal verschreiben", meint sie. Wie sie hat auch die Pensionistin Wilma eine Einsparungsidee parat: "Kinderlose Frauen, die nie gearbeitet haben und nur zum Arzt gehen, weil ihnen fad ist, die sollen einen hohen Selbstbehalt haben." Freilich, erst ab einem gewissen Einkommen des Mannes. Sie selbst habe schließlich ihr Leben lang gearbeitet und die Höchstbeiträge eingezahlt. Daher hofft sie auch, dass das Gesundheitssystem so bleibt wie es ist: "Seitdem ich viel reise, weiß ich unser System noch mehr zu schätzen." Ein paar Meter von ihr entfernt in der Ambulanz des AKH sitzt Ann-Christine. Sie kennt die Unterschiede der Gesundheitssysteme einzelner Länder aus erster Hand. Ann-Christine lebt die Hälfte des Jahres in Schweden. In Österreich komme die ärztliche Behandlung dank Krankenschein billiger: "In Schweden zahle ich pro Arztbesuch zirka 600 Schilling." Gut betreut fühlt sie sich aber in beiden Ländern. Dass in Österreich "alles funktioniert", glaubt Pensionist Otto aus Loosdorf. Und er ist dankbar dafür. Er hat eine neue Niere und muss ein- bis zweimal pro Woche 200 Kilometer nach Wien fahren. Das erledigt die Rettung. "Irgendwas an der Misere des Hauptverbandes muss schon dran sein", meint er. Als "kleiner Mann" könne er allerdings nicht mehr sagen: "Ich hab’ ja keinen Einblick." Der Pensionist hat auch schnell einen Schuldigen gefunden: "Der Sallmutter, das ist der Bremser." Wobei? "Das weiß ich auch nicht." (Peter Mayr, DER STANDARD Print-Ausgabe, 15. 2. 2001)