Wien - Die vom "Belgrader Zentrum für kulturelle Dekontermination (CZKD)" zusammengestellte Ausstellung Dossier Serbien. Einschätzung der Wirklichkeit der neunziger Jahre dokumentierte erstmals den Widerstand serbischer Intellektueller und Kunstschaffender. Zum Abschluss der Schau in der Akademie der Bildenden Künste am Schillerplatz sollte ein Symposion im Museum für angewandte Kunst (MAK) am vergangenen Dienstag noch einmal Fragen nach konkreten Formen und Möglichkeiten kulturellen Widerstands aufwerfen. Irina Subotic vom CZKD, Mirjana Miocinovic, Professorin an der Akademie für darstellende Kunst Belgrad, Dusan Otasevic, Künstler aus Belgrad, und Laslo Vegel, Journalist aus Novi Sad, fassten ihre Sicht des Lebens unter dem Regime Milosevic' in Einzelstatements zusammen. Marko Lulic, Wiener Künstler mit serbisch/kroatischen Eltern und Aktivist in der österreichischen regierungskritischen Gruppe get to attack, versuchte aus seinem persönlichen "Dazwischenstehen" analytische Ansätze abzuleiten. Er verglich etwa die Verdrängung der aktiven Rolle Österreichs im NS-Regime mittels der "Opfertheorie" mit der jugoslawischen Mythenbildung, wonach letztlich jeder ein Partisan gewesen sein wollte. Hier setzt auch Irina Subotic an, die jenen Intellektuellen und Künstlern, "die sich nicht gewehrt hätten, sich den Ideen und der Macht des verheerenden Regimes unterzuordnen", eine große Rolle und Schuld bei der (Re-)Konstruktion all jener Mythen gab, die Milosevic ermöglichten und stützten: des Mythos vom nationalen Interesse, vom gemeinsamen Wiederaufbau, von der längst fälligen Erfüllung des großserbischen Traumes. Die Ausgestaltung dieser Mythen durch Künstler und Intellektuelle hätte dem Regime die Matrix geliefert - und ihm damit Deckung verschafft. Jetzt sei für all jene, die daran mitgearbeitet haben, die Zeit des Erwachens aus diesen perversen Träumen gekommen. Die Künstler in der Opposition wären zunächst marginalisiert worden, um jeden Glanz des Dissidententums im Keim zu ersticken, ehe ab 1998 der repressive Apparat mit voller Härte gegen sie vorgegangen sei. Ein wesentliches Mittel, das bestehende Staatsgebilde zu demontieren, die verheerenden Mythen auszulöschen, wären Satire und Zynismus gewesen. Die momentane Situation sahen alle am Podium im wesentlichen dadurch charakterisiert, dass die Angst gewichen ist, sie warnten aber explizit vor dem möglichen Konsequenzen einer rein affirmativen Übernahme des westlichen Demokratieverständnisses, der alliierten Bomben für den Frieden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 2. 2001)