Wien - Der Taschen Verlag, geschätzt für erschwingliche Kunsthochglanzbände, hat einen "neuen" Star im Sortiment: Leni Riefenstahl, Hitlers erste Wahl, wenn es um filmische Repräsentation ging. Postcardbooks, Kalender, Memoiren und eben der Fotoband, der auf Kommentare weitgehend verzichtet, lassen den Schluss zu, dass die für ihr Propagandawerk ein halbes Jahrhundert lang geschmähte Filmemacherin über die Vermarktung als Pop wenn schon keine Rehabilitation, so zumindest eine Rezeption erfährt, die ihr gelegen kommen muss, weil sie politische Implikationen hintanstellt: Dass sie zuallererst Künstlerin gewesen sei, war ja seit jeher die beliebteste Ausrede der heute 98-Jährigen. Mittlerweile ist Riefenstahl also radical chic , Teil der Recycling-Kultur, ihre Bildwelt vergleichbar dem Status eines Stücks Berliner Mauer: schönes altes 20. Jahrhundert! Ob postpolitische Nonchalance im Umgang mit Zeichen oder geschicktes Marketingkalkül von Verlegern, gewiss ist, dass ihre Bilder Bestand haben, selbst Arbeiten des Videokünstlers Matthew Barney oder Ridley Scotts Gladiator verweisen auf ihre Ästhetik. Gewiss ist damit aber auch, dass Riefenstahls inszenatorische Strategien, ihre Ästhetisierung von Politik, in der "Massen zu ihrem Ausdruck (beileibe nicht zu ihrem Recht) kommen" (Walter Benjamin) weiterhin prekär sind. Wenn nun im Österreichischen Filmmuseum das schmale Regiewerk von Riefenstahl gezeigt wird, dann sollte das neben Fragen zu ihren Verstrickungen (als Frau) im (männlich dominierten) NS-Machtapparat auch die nach der adäquaten Historisierung des propagandistischen Films ermöglichen. Mit Ausnahme von Das Blaue Licht , ihrem märchenhaft stilisierten Regiedebüt, in dem sie sich vom neusachlichen Stil der Bergfilmdramen Arnold Fancks entfernte, und ihrem letzten Film, Tiefland , der vor allem dafür Schlagzeilen machte, weil sie Sinti aus einem NS-Lager als Komparsen "verpflichtete", fertigte sie mehr oder minder Auftragsarbeiten für das Regime: Triumph des Willens , ihr berüchtigtes Hauptwerk über den Nürnberger Reichsparteitag, wird dabei von dem wenig bekannten Sieg des Glaubens ergänzt, einer Art Vorstudie, noch durch keine rhythmische Montage angetrieben. Mit Tag der Freiheit verhalf sie wiederum der Wehrmacht bei Truppenübungen zu einem imposanten Selbstbildnis, während Olympia , ihre wohl ambitionierteste Arbeit, nicht nur technologisch, sondern vor allem auch in der mystifizierenden Darstellungsweise athletischer Körper stilbildend wirken sollte. Dass es zu diesen Arbeiten keinen rein ästhetischen Zugang gibt, dass sie keineswegs für neue Sinnstiftungen frei sind, das zu sagen scheint eigentlich obsolet, ist es aber offenbar nicht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 2. 2001)