George W. Bush scheint offenbar fest entschlossen, seine Pläne zum Umbau der US-Streitkräfte schnell voranzutreiben. Bei einer Rede im Nato-Atlantik-Hauptquartier in Norfolk, Virginia, betonte Bush, er strebe eine "neue Architektur zur Verteidigung Amerikas und unserer Alliierten" an. Eine grundlegende Modernisierung des Militärs sei anstelle von "marginalen Verbesserungen bei veralteten Systemen" angesagt. Dafür soll zunächst einmal eine intensive Überprüfung der amerikanischen Streitkräfte durch Verteidigungsminister Donald Rumsfeld eingeleitet werden. In der Frage der Raketenabwehr wolle er eng mit den Nato-Verbündeten zusammenarbeiten, meinte der neue US-Präsident. Die Alliierten würden über alle Pläne frühzeitig informiert. "Gott segne die Nato", erklärte Bush am Dienstag in seiner Rede vor den Vertretern von 19 Nato-Staaten. Die traditionellen "Flitterwochen" der Amerikaner mit ihrem neuen Präsidenten dauern indes an, auch mit den Demokraten am Capitol Hill, die von George W. Bush seit einigen Wochen regelrecht hofiert werden: Bush nennt demokratische Kongressabgeordnete und Senatoren bei ihren Spitznamen, er hat den Führer des liberalen Flügels, Ted Kennedy, ins Weiße Haus eingeladen und sich mit einer Gruppe schwarzer Kongressabgeordneter getroffen. Mitarbeiter von Bush behaupten scherzhaft, der Präsident habe "auch Freunde, die keine Demokraten sind". Bisher scheint seine Charmeoffensive Erfolge gebracht zu haben. Von der linken Flanke der Demokraten hagelt es schon Kritik an allen, die zu sehr auf Tuchfühlung mit Bush gehen: Man müsse Bush ja nicht unbedingt aus der Hand fressen. Nach außen hin scheint in Washington jedenfalls die von Bush so oft beschworene "Überparteilichkeit" zu regieren. Gleichzeitig ist es Bush bisher gelungen, auch seine Freunde vom rechten Parteiflügel zu befrieden. Der erzkonservative Gary Bauer, einst Bushs Widersacher bei den Vorwahlen, ist voll des Lobes: "Es geht letztlich um die Politik. Niemand wird ihm verübeln, wenn er sich mit Ted Kennedy einen Film anschaut, solange Ted Kennedy nicht plötzlich wichtige politische Schlachten gewinnt." Bauer hat guten Grund, zuversichtlich zu sein: Die Rhetorik des Präsidenten mag zwar versöhnlich wirken, aber im Grund entfernte er sich kaum einen Finger breit von den konservativen Plänen, mit denen er im Wahlkampf auftrat. Ein wesentliches Beispiel dafür ist die Nominierung des stramm rechten John Ashcroft zum Justizminister. Wenige Kompromisse Bisher sieht es auch nicht danach aus, als wären die Republikaner gewillt, große Kompromisse bei ihren Steuersenkungsplänen einzugehen. Der Vorschlag, den Bush vergangene Woche an den Kongress sandte, enthält noch immer die enorme Summe von 1,6 Billionen Dollar, die in zehn Jahren erreicht werden soll. Konservative Kongressabgeordnete, die eine noch größere Steuersenkung forderten, lieferten Bush die Gelegenheit, sich als verantwortlicher Chef der Nation zu zeigen: Mehr als das, hieß es aus dem Weißen Haus, komme nicht in Frage. Da geht sogar einiges an Kritik der Demokraten unter, die einen viel gemäßigteren Steuersenkungsplan vorgelegt haben. Die Amerikaner stehen im Prinzip hinter ihrem neuen Präsidenten, sind aber skeptisch, was dessen Prioritäten betrifft: Obwohl 56 Prozent die Steuersenkungen befürworten, firmieren diese doch an letzter Stelle der Änderungswünsche. Noch immer wird eine Bildungsreform am dringlichsten gewünscht. Außerdem sind 53 Prozent der Amerikaner besorgt über ein drohendes Budgetdefizit, 57 Prozent fürchten, dass die Sozialversicherung zu kurz kommt, und 75 Prozent sind der Ansicht, dass nur die Reichsten von den Steuersenkungen wirklich profitieren. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.2.2001)