Santiago de Chile - Im Rechtsstreit um die Anklage gegen Chiles früheren Diktator Augusto Pinochet wegen Verbrechen unter der Militärdiktatur (1973-1990) haben Opferanwälte am Mittwoch eine Einstellung des Verfahrens abgelehnt. Pinochet ist wegen Anstiftung und Beihilfe zu Mord und Entführung in insgesamt 75 Fällen angeklagt. Vor dem Appellationsgericht in Santiago wird seit Dienstag über einen Berufungsantrag gegen die Anklageerhebung verhandelt. Am Mittwoch hatten die sieben Klägeranwälte das Wort. Die Anhörungen könnten wegen des umfangreichen Materials noch bis Freitag dauern, hieß es. Pinochets Verteidiger hatten am Vortag ein Ende des Verfahrens wegen altersbedingter Verhandlungsunfähigkeit des 85-Jährigen gefordert. Der Untersuchungsrichter Juan Guzman habe bei der Anklageerhebung am 29. Januar ein gerichtsmedizinisches Gutachten missachtet. Außerdem sei nicht bewiesen, dass Pinochet als früherer Oberkommandierender der Streitkräfte für mögliche Verbrechen verantwortlich sei. Die Anklageerhebung durch Guzman sei "parteiisch, verfassungswidrig und illegal", sagte der Rechtsanwalt Pablo Rodriguez Grez nach seinem Plädoyer am Dienstag. "Mittlere Demenz" als Grund, Prozess zu verhindern? Bei der Verhandlungsunfähigkeit geht es in Chile nur um die geistige Verfassung des Angeklagten. Von einem Prozess wird abgesehen, wenn er geisteskrank ist oder unter Demenz leidet, das heißt, seine geistigen Fähigkeiten erheblich vermindert sind. Eine von Guzman angeordnete gerichtsmedizinische Untersuchung hatte Pinochet eine mittlere Demenz attestiert. Für Guzman war diese Einschränkung der Geisteskraft Pinochets nicht gravierend genug. Nach einem Verhör im Januar bezeichnete er den früheren Alleinherrscher sogar als "außerordentlich normal" und stellte das Verfahren nicht ein. Pinochet, der auf seinem Landsitz Los Boldos unter Hausarrest steht, sollte nicht vor Gericht auftreten. Eine Entscheidung wurde wegen der laufenden Justizferien erst Ende des Monats oder Anfang März erwartet. Gegen das Urteil des Berufungsgerichts kann dann noch der Oberste Gerichtshof angerufen werden. (APA/dpa)