Künstlich aufgeschaukelte Emotionen, primitive Schuldzuweisungen und angeblich "einfache" Lösungen mit Appellen an die gute alte Zeit sind in der Politik schon grundsätzlich ziemlich zweifelhafte Instrumente. Wenn solche Methoden - wie im Falle der öffentlichen Debatte über die zweite große BSE-Krise der Union - dann aber auf die sehr komplexen Zusammenhänge der gemeinsamen EU-Agrarpolitik angewendet werden, wird es geradezu gefährlich. Dieses Szenario spielt sich zurzeit vor allem in Österreich und Deutschland ab, etwas weniger stark in den Niederlanden. In anderen Partnerländern, wie Schweden, Großbritannien oder Finnland, sieht es ganz anders aus. In Österreich trauen sich sogar Finanzminister die Krise noch anzuheizen und ungestraft in einem Atemzug zu sagen, dass sie vom System der EU-Agrarpolitik nichts, rein gar nichts halten. Und dass es zur Bewältigung der Krise nicht einen Schilling mehr geben darf. Vor allem in Österreich und in Bayern werden auch die Stimmen immer lauter, die ausgerechnet EU-Agrarkommissar Franz Fischler zum Judas erklären, weil dieser angeblich "die Heimat" verrate und die Gesundheit der Menschen gefährde. Viel dümmer kann man nicht argumentieren. Wer es dennoch tut, darf sich nicht wundern, wenn die Verweigerung des Fleischkonsums gerade in Österreich und Deutschland am größten ist, wenn die Fleischpreise in den Keller stürzen, in der Folge ein Bauernsterben höheren Ausmaßes droht. In Staaten, wo man die Sache etwas rationaler angeht, läuft es anders: Im "Mutterland" von BSE - Großbritannien - beispielsweise, das nach 1996 ein strenges Programm zur Ausschaltung von Risikofaktoren fährt und Millionen theoretisch infizierter Rinder vernichtete, gibt es merkwürdigerweise keine Krise. Auch in Schweden und Finnland nicht. Die Konsumenten dort glauben offenbar, dass ihre Regierung seriöse Politik macht. Ernsthafte Krisenbewältigung kann angesichts des vorliegenden Desasters aber nur dann gelingen, wenn dem ebenso entschlossene und drastische Maßnahmen entgegengesetzt werden. Ganz anders, als die landläufige Meinung annimmt, gehen die richtigen und die wichtigsten Anstöße dazu derzeit von der EU-Kommission aus. Und nicht von den Regierungen der einzelnen Mitgliedstaaten, von denen viele noch immer vor allem auf die vermeintlich mögliche Bewahrung nationaler Besitzstände fixiert sind. Nationale Lösungen sind - so bitter das klingt - leider nicht möglich, und wenn, dann nur mit geringen Abweichungen vom Ganzen. Es gibt eben einen seit Jahrzehnten entwickelten gemeinsamen Agrarmarkt mit offenen Grenzen. Dieser erlaubt es nicht, dass einzelne Länder nur in guten Zeiten zusammenhalten, aber in schlechten machen können, was sie wollen. Am Anfang jeder Lösung muss daher zuerst das Prinzip der wechselseitigen Solidarität in den Vordergrund gestellt werden. Das Hauptproblem der EU (der Bauern wie der steuerzahlenden Konsumenten) besteht zurzeit darin, dass von jährlich 30 Millionen produzierten Rindern wahrscheinlich zehn Prozent nicht verkaufbar sind. Und dass der Preisverfall in Folge die Existenz Zehntausender Bauern auszulöschen droht. Deshalb führt am Kernpunkt des von der Kommission vorgelegten Aktionsplans - der Vernichtung von Überschüssen - letzten Endes kein Weg vorbei. Geschieht das nicht, droht am Ende ein noch größerer Schaden, weil dann die laufende Agrarreform gefährdet werden könnte. Die sieht eine Ökologisierung, ein Zurückdrängen der Intensivwirtschaft vor, eine Umstellung auf Direktförderung ländlicher Räume. So wurde das 1999 beschlossen, und hätten die Regierungschefs die damals viel weiter gehenden Vorschläge Fischlers nicht abgelehnt, wäre man weiter. Die "Wiener Methode" jedenfalls - kein Zusatzgeld, keine Vernichtung, kein Bauernsterben - ist undurchführbar. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.2.2001)