Als "Tiefpunkt der Medienberichterstattung" hat der Deutsche Presserat die "offensichtlich falschen" Berichte über den Fall des 1997 in Sebnitz ertrunkenen sechsjährigen Joseph verurteilt. Das Selbstkontrollorgan sprach nach Angaben vom Mittwoch in Bonn Rügen gegen "Bild"-Zeitung, "Berliner Morgenpost" und "Tageszeitung" aus, ferner nicht-öffentliche Rügen gegen zwei weitere Zeitungen. Die Behauptung der Mutter des Kindes, es sei von Neonazis vor zahlreichen Zeugen im Schwimmbad ertränkt worden, hatte sich als haltlos erwiesen. Der Presserat betonte zugleich, mit den Entscheidungen gegen einzelne Publikationen sei die übrige Presse nicht entlastet. In den drei namentlich gerügten Fällen kritisierte der Presserat besonders die Aufmachung der Artikel in den Überschriften. Sie hätten jeden Zweifel am Tathergang ausgeschlossen. Damit sei die Grenze zwischen zulässiger Verdachtsberichterstattung und unzulässiger Tatsachenbehauptung überschritten worden. Insgesamt sei bei der Berichterstattung über den "Fall Joseph" ein "Mainstreameffekt" zu beobachten gewesen, der zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer zu untersuchen sei, erklärte der Beschwerdeausschuss des Presserates. Das Plenum des Rates werde in einer seiner nächsten Sitzungen das Thema der journalistischen Sorgfaltspflicht grundsätzlich auch mit Hilfe von Experten beraten. In diesem Zusammenhang sei der "Fall Joseph" nur ein Beispiel unter vielen. Der Beschwerdeausschuss sprach außerdem eine Rüge gegen das Magazin "Stern" aus. Es hatte in einem Bericht über den Mord an einer Ärztin sowohl das Porträtfoto des Opfers als auch die Leiche als Fotografie gezeigt. Damit liege ein eindeutiger Verstoß gegen den Pressekodex vor, der vorschreibe, Privatleben und die Intimsphäre zu achten. Ebenfalls gerügt wurde das Taxi-Branchenblatt "Ventil", weil es Berichte über ein Unternehmen von der Schaltung von Anzeigen abhängig gemacht habe. (APA/AP)