Paris/Rom/Madrid/Basel - Die Gewaltspirale im Nahen Osten und die Gefahr eines totalen Zusammenbruchs des Friedensprozesses zwischen Israelis und Palästinensern beschäftigen am Donnerstag die Kommentatoren führender europäischer Zeitungen.Die französische linksliberale Tageszeitung "Liberation": "Man muss nicht besonders pessimistisch sein, um das Schlimmste zu befürchten. Der Wankelmut des Ehud Barak und die Unnachgiebigkeit des Yasser Arafat haben die Lage in wenigen Monaten um zehn Jahre zurückgeworfen. Bis an den Rand der Katastrophe. (...) Diejenigen, die von ihrer politischen Funktion und ihrem Auftrag her führen und den Weg weisen müssten, sie haben die Kontrolle über das Geschehen verloren. Sie rennen mehr hinter ihren Völkern her, die beide immer mehr eine Beute des Rachedurstes sind, der doch nur noch mehr Gewalt bringen kann." Die französische konservative Tageszeitung "Le Figaro": "Seit 1993 haben die verschiedenen israelischen Regierungen ihre Zurückhaltung in den Verhandlungen mit Sicherheitsbedürfnissen gerechtfertigt. 'Wer garantiert uns, dass die Palästinenser ihre Feindseligkeiten uns gegenüber aufgeben, wenn sie ihren Staat bekommen haben?' So lautet die in Jerusalem immer wieder gestellte Frage. Israel soll den Palästinensern doch die Chance geben, Aufrichtigkeit unter Beweis zu stellen. Die Palästinenser müssen endlich einen lebensfähigen Staat erhalten, und zwar auf der Grundlage des Kompromisses von Taba." Die italienische linksliberale Zeitung "La Repubblica": "Mit dem jüngsten schrecklichen Anschlag nur 24 Stunden nach der Tötung eines Leibwächters Arafats scheint die Eskalation der Gewalt in Israel jene gefürchtete Dimension erreicht zu haben, die das Versprechen von Ariel Sharon nach seinem triumphalen Wahlsieg zu leeren Worten verkommen lassen könnte: den Frieden nach Israel zurückzubringen. (...) Das Attentat wird Sharon wahrscheinlich dazu bringen, die Palästinenser immer mehr zu isolieren und alle Türen vor einer auch noch so minimalen Integration zu schließen. (...) Der Traum des alten PLO-Führers, in einem Staat Palästina zu leben, scheint sich immer mehr zu verflüchtigen." Die spanische linksliberale Zeitung "El Pais": "Der Terroranschlag mit dem Autobus zeigt, auf welch schandhaftes Niveau der Nahost-Konflikt gesunken ist. Er nimmt zugleich das vorweg, was noch bevorsteht. Israel scheint nicht einzusehen, dass es nie einen Frieden bekommen wird, solange es die gleichen Terrormethoden anwendet wie seine Gegner. Der einzige Unterschied ist, dass das israelische Vorgehen auf Grund der besseren Möglichkeiten ausgeklügelter ist. Zudem ist Israel in der Lage, mit der systematischen Blockade der besetzten Gebiete Zehntausenden von Palästinensern die Lebensgrundlage zu nehmen. Israel hat schon häufig zur Liquidierung von Opponenten gegriffen. In den letzten Monaten wurden die selektiven Morde jedoch zu einer Politik des Staates." Die rechtsbürgerliche "Basler Zeitung": "Ariel Sharon hat vor seiner Wahl durch das Volk sowohl den Israelis wie Palästinenserführer Arafat klar gemacht, dass unter ihm keine Verhandlungen geführt werden, solange palästinensische Gewalt tobt. (...) Der ermordete Premier Yitzhak Rabin hatte angesichts der islamistischen Terrorwellen während laufender Verhandlungen die einzig richtige Doktrin aufgestellt: Es wird verhandelt, als ob es keinen Terror gäbe, und die Terroristen werden bekämpft, als ob keine Verhandlungen laufen würden. Nun muss sich Sharon diesen Grundsatz zu eigen machen und seine Verhandlungs-Vorbedingungen, die nur den Gewalttätern in die Hände spielen, fallen lassen." (APA/dpa)