Wien - Der Poker um Lenzing ist zu Ende. Mit dem Verkauf an den britischen Investmentfonds CVC bekommt der oberösterreichische Konzern den selben Eigentümer wie sein bisher schärfster Konkurrent, Acordis. Der Faserhersteller Lenzing AG mit zuletzt über 7,5 Mrd. S Jahresumsatz, von dem sich die Bank Austria nach Jahre langen Verkaufsbestrebungen nun tatsächlich trennt, blickt auf eine mehr als 100 Jahre Unternehmensgeschichte zurück. Die Wurzeln reichen bis ins Jahr 1892 zurück, als der Industrielle Emil Hamburger in Lenzing in Oberösterreich begann, eine Papierfabrik zu betreiben. 1938 wurde die "Zellwolle Lenzing AG" gegründet und die Erzeugung von Zellstoff und Viskosefasern gestartet. 1962 taufte man sich in "Chemiefaser Lenzing AG" um, neuen Produktionsbedingungen folgend. Die Kapazität betrug damals 60.000 Jahrestonnen. Internationales Engagement 1963 ging man dazu über, Chemikalien aus der Zellstofferzeugung zu recyceln. Lenzing-Modalfasern gibt es seit 1964. Mit dem Kauf der Lenzinger Zellstoff- und Papierfabrik wurde 1969 diversifiziert. Geografisch dehnte sich Lenzing 1980 mit dem Baubeginn der South Pacific Viscose (SPV) in Indonesien aus. Jahre später, 1992, wurde die Lenzing Fibers Corp. in Lowland, USA, 1994 die Bacell S.A., Brasilien, gegründet. 1984 kam dann die Namensänderung auf "Lenzing AG", zwei Jahre darauf wurde die Aktie an die Wiener Börse gebracht. 1989 zählte die Lenzing noch zur Länderbank-Industriegruppe. Jahre lang leitete Generaldirektor Heinrich Stepniczka die Geschicke, und Jahre lang wies die Lenzing AG - begünstigt durch eine gute Faserkonjunktur - Rekordergebnisse mit zweistelligen Zuwachsraten bei Umsatz und Gewinn aus. Auch Dividenden von bis zu 27 Prozent (inklusive Bonus) gemessen am Nominale wurden ausgezahlt - beispielsweise für 1989. Rationalisierungsprogramm 1990 riss für die - ebenfalls - börsennotierte Lenzing-Tochter Glanzstoff Austria AG jedoch auf Grund des zusammen gebrochenen Ostmarktes der Umsatzfaden. Im Standort Lenzing lief ein massives Rationalisierungsprogramm an, wonach bis 1993 mindestens 600 der 3.760 Mitarbeiter "sozial verträglich" abgebaut werden sollten. Die Chemiefaserkonjunktur flaute ab - 1991 gingen Umsatz und Gewinn zurück - um in eine Textilkrise zu münden. Der Preisverfall auf dem Viskosefasermarkt, aber auch der harte Schilling, bescherten so dem Konzern 1992 Verlust. Auf der 93-er Bilanz lasteten die Verluste der dramatisch abgestürzten Tochter Glanzstoff AG, für deren Rettung die GBI auf den Plan gerufen wurde. Glanzstoff wurde 1994 liquidiert, ein Teil vom Industriellen Cornelius Grupp übernommen. Dennoch gelang es Lenzing, wieder in die Gewinnzone zurückzukehren. Vor dem Hintergrund einer Nachfrageschwäche am Textilfasermarkt setzte der Konzern 1996 abermals hart den Sparstift an. 1996 geriet der Faserhersteller Lenzing erneut in Schräglage: Der Konzern wies einen Jahresverlust von 157 Mill. S (nach einem vorherigen Überschuß von 254 Mill. S) aus. Martin Lenz löste Heinrich Stepniczka Ende 1997 als Vorstandschef ab. Und es gab für das Jahr 1997 eine böse Überraschung: Der Konzern rutschte mit einem EGT von minus 652 Mill. S und einem Jahresverlust von 658 Mill. S noch tiefer in die Verlustzone. 1998 wurde das Unternehmen wieder dividendenfähig - und 1999 erreichte die Gruppe nicht nur die erwartete schwarze Null, sondern ein positives Ergebnis vor Steuern und Minderheitenanteilen von 3,9 Mill. Euro (53,7 Mill. S). Lenz schied Ende 1998 aus dem Unternehmen aus, Jochen Werz wurde Vorstandssprecher. Für 2000 hat Lenzing erst vor wenigen Wochen "ein absolutes historisches Rekord-Konzernergebnis" angekündigt. Neuen Fertigungsanlage im Burgenland Im Mittelpunkt öffentlichen Interesses war Lenzing auch mit seiner neuen Fertigungsanlage im Burgenland: Für den Bau einer Lyocell-Pilotanlage fiel bereits 1990 der Startschuss. Nach langem Tauziehen wurde der Bau der Großanlage im burgenländischen Heiligenkreuz entschieden und 1995 in Angriff genommen, 1997 dann in Betrieb genommen. Das Burgenland hatte für die Ansiedlung in Heiligenkreuz Nettoförderungen zwischen 35 bis 40 Prozent der Investitionssumme von 1,8 Mrd. S (130,8 Mill. Euro) geboten. Mitte 1999 leitete die EU-Kommission die Prüfung der staatlichen Beihilfen ein. Diese wurden jedoch dann Mitte 2000 genehmigt. Hinter den Kulissen wurden lange Zeit strategische Partnerschaften vorbereitet. Ende Juli 2000 gab die Bank Austria offiziell den Startschuss für den seit längerer Zeit geplanten Verkauf ihres 50,1 Prozent Anteils an der Lenzing AG, zusammen mit dem Handelsbestand bot die Bank mehr als 80 Prozent zum Verkauf. Neben der britischen Investmentgruppe CVC sowie Investoren rund um den Industriellen, Ex-Vizekanzler und früheren Finanzminister Hannes Androsch interessierte sich auch der deutsche Industrielle Grupp. (APA)