Tel Aviv - Der amtierende israelische Ministerpräsident und zurückgetretene Vorsitzende der Arbeiterpartei, Ehud Barak, ist wegen seiner Einigung mit dem gewählten Regierungschef und Vorsitzenden des Likud-Blocks, Ariel Sharon, über die Bildung einer Koalition scharf aus den eigenen Reihen kritisiert worden. Barak hatte sich am Donnerstagabend bereit erklärt, das Amt des Verteidigungsministers in einer zu bildenden Regierung der nationalen Einheit zu übernehmen. Das Außenministerium soll Ex-Premier Shimon Peres, dem früheren Chef der Arbeiterpartei, zufallen. Der israelische Rundfunk meldete am Freitag, der amtierende Innenminister Chaim Ramon habe Barak Eigenmächtigkeit vorgeworfen. Er wolle sich bei einer Sitzung des Zentralkomitees der Arbeiterpartei in der kommenden Woche dafür einsetzen, vom Likud andere Ministerposten zu fordern. Ramon sagte nach Angaben der Tageszeitung "Haaretz" vom Freitag wörtlich: "Wir haben im Verteidigungsministerium nichts zu tun. Worauf sollten wird dann stolz sein? Darauf, dass wir Araber töten?" Ramon, der selbst die Parteiführung anstrebt, will für die Arbeiterpartei das Finanzministerium fordern. Das Abkommen zwischen Sharon und Barak muss noch vom Zentralkomitee der Arbeiterpartei gebilligt werden, bevor es in Kraft treten kann. Der Rundfunk-Kommentator Yaron Dekel meinte am Freitag, Barak habe mit seiner Einwilligung, das Amt des Verteidigungsministers unter einem Premier Sharon zu übernehmen, "jegliche Glaubwürdigkeit verloren", sein Wort habe "keinerlei Wert mehr". Barak hatte nach seiner vernichtenden Niederlage bei der Direktwahl des Ministerpräsidenten am 6. Februar seinen vorläufigen Rückzug aus der Politik angekündigt und zunächst betont, er könne sich einer großen Koalition aus moralischen Gründen nicht anschließen. Nach Parlamentspräsident Avraham Burg hat auch der bisherige Kommunikationsminister und Vizepremier Benjamin Ben-Eliezer seine Kandidatur für den Parteivorsitz angekündigt. Der bisherige Justizminister Yossi Beilin, einer der Architekten der Oslo-Abkommen mit den Palästinensern, hat die Einbindung der Arbeiterpartei in eine Regierung der nationalen Einheit unter Sharon strikt abgelehnt. Falls es zu einer großen Koalition kommen sollte, werde er mit seinen Gesinnungsfreunden die Arbeiterpartei verlassen, um im Hinblick auf die nächsten Wahlen eine neue "demokratische" Partei zu gründen, kündigte Beilin an. Der Generalsekretär der Arbeiterpartei, Raanan Cohen, hatte Barak überhaupt das Recht abgesprochen, Sondierungsgespräche über eine Koalition zu führen. Nachdem Barak unmittelbar nach seiner Wahlniederlage den Parteivorsitz zurückgelegt habe, seien dessen Parteifunktionen statutengemäß auf den Generalsekretär übergegangen, sagte Cohen. In den Verhandlungen mit Barak am Donnerstag konnte sich Sharon offenbar mit der Forderung durchsetzen, die Kernfragen des Friedensprozesses aus dem Koalitionsabkommen auszuklammern. Der Likud-Führer lehnt Verhandlungen mit den Palästinensern über ein definitives Friedensabkommen ab und wünscht stattdessen langfristige Übergangsregelungen. Noch am Dienstag hatte Barak gefordert, in das Koalitionsabkommen sowohl die Errichtung eines palästinensischen Staates als auch die israelische Bereitschaft zur Räumung isolierter jüdischer Siedlungen auf Palästinensergebiet aufzunehmen. (APA/dpa)