Wien - Gestörte Verhältnisse sind gut für die betrachtende Nachwelt - man kann sich ihnen immer wieder neu unter verschiedensten psychologischen Blickwinkeln nähern und wird sie dennoch nicht wirklich deutend auflösen können. Wien ließ den jugendlichen, ideenreichen, aneckenden und doch so genialen Wolfgang Amadé Mozart genauso gnadenlos seiner Wege ziehen wie später Gustav Mahler oder Arnold Schönberg. Mozart lebte die letzten zehn Lebensjahre als freier Künstler schon in Wien, jedoch nicht, weil der reformfreudige Kaiser Jo- seph II. mit seinem Willen zum Nulldefizit im Musikbetrieb die Künstler etwa fürstlich entlohnte, sondern weil Mozart in Wien seine Einnahmequellen hatte. Hier lebte aber auch Antonio Salieri, ein Schüler Gassmanns und einer der letzten Neapolitaner im Operngeschehen, der nicht nur ein überaus renommierter Kapellmeister war, sondern der in Wien so ziemlich alle Fäden in der Hand hielt. Im Februar des Jahres 1786 trafen in der Orangerie von Schloss Schönbrunn auf Geheiß des Kaisers je eine Oper der beiden aufeinander, und dieser unentschieden ausgegangene historische Wettstreit wird derzeit an der Wiener Kammeroper unter historischen Vorzeichen wieder aufgenommen. Junger Spund In der Uraufführung Köchelverzeichnis 2001 - Mozart gegen Salieri , einem Fantastischen Singspiel von Kay Langstengel, besucht der aus der Verbannung wiederkehrende - erstaunlich jugendliche - Mozart den siechen Salieri in beklemmender Pflegeheimatmosphäre mit "Big Brother"-Permanentüberwachung (Inszenierung Michael Sturm, für die Ausstattung zeichnet Waltraut Engelberg verantwortlich). In den gegenübergestellten Arien zeigen Moritz Gogg, Armanda Puklavec, Margareta Klobucar, Gottfried Moser und Ludmilla Schilova gemeinsam mit dem Orchester der Wiener Kammeroper unter Paul Weigold, wie weit Mozart trotz aller äußerlich stilistischen Anlehnung innerlich von der neapolitanischen Opera seria abgerückt ist. Wohl benutzt Mozart noch die Bausteine ausgiebig, aber für einen ganz anderen Neubau. Etwa einen, in dem sich später Schubert niederlassen konnte. Puschkin, Shaffer und Forman haben das Thema in Literatur, Schauspiel, Film gegossen, die unschlagbare Salieri-Biografie des Freiburger Volkmar Braunbehrens tat ein Übriges. Nun muss sich das Publikum neuerlich für einen der beiden Ungleichen entscheiden. Wenn es will. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18. 2. 2001)