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Chicago - Amerikas Kinderärzte schlagen Alarm: Sie befürchten, dass hinter mehr Fällen des plötzlichen Kindstodes als bisher vermutet ein Kindesmord steckt. In ihren neuen Richtlinien empfiehlt die Amerikanische Akademie der Kinderärzte deshalb erstmals, Experten für Kindesmisshandlung hinzuzuziehen, um alle ungeklärten Todesfälle von Säuglingen zu untersuchen. Studien Der Verband stützt sich bei seiner Empfehlung auf mehrere erschreckende Studien zu diesem Thema, die in den vergangenen Jahren veröffentlicht wurden. So stellten britische Forscher fest, dass in 30 von 39 untersuchten Fällen Eltern in Kliniken versucht haben, heimlich ihre Kinder zu ersticken. Die Säuglinge waren nach angeblichen Unfällen, die sich zu Hause ereignet haben sollen, in Krankenhäuser gebracht worden. Die Eltern waren bei ihrem Tötungsversuch in den Kliniken von versteckten Videokameras gefilmt worden. Die britischen Forscher fanden außerdem heraus, dass in den genannten Fällen elf Mal ein Bruder oder eine Schwester des Kindes angeblich am plötzlichen Kindstod gestorben war. In acht Fällen gestanden aber später die Eltern, dass sie ihren Nachwuchs umgebracht hatten. "Ärzte wollen sich mit derartigen Fakten nicht belasten", erklärt Dr. Kent Hymel, der in der Expertenkommission der Kinderärzte-Akademie zum Thema Kindesmisshandlung sitzt. Er empfiehlt seinen Kollegen aber dringend, den Kopf nicht vor der oftmals grausigen Wirklichkeit in den Sand zu stecken. Spuren für ein gewaltsames Ersticken sind allerdings oftmals schwer zu entdecken, wenn die grausige Tat beispielsweise mit einem Kissen verübt wurde. Dunkelziffer Es ist zu vermuten, dass es bei Kindsmord eine hohe Dunkelziffer gibt. Hymel weist auf ein vor vier Jahren erschienenes Buch "The Death of Innocents" ("Der Tod Unschuldiger") hin, in dem der Fall einer Frau aus dem Staat New York geschildert wird, die fünf Kinder angeblich durch plötzlichen Kindstod verloren hat. Sie wurde später aber für schuldig befunden, alle erstickt zu haben. Vor zwei Jahren wurde in Philadelphia eine Mutter überführt, acht ihrer Kinder umgebracht zu haben. Alle Fälle waren ursprünglich als plötzlicher Kindstod gewertet worden. Kindesmord sei zwar relativ selten, der Anteil dieses Verbrechens an der Gesamtzahl der Fälle von plötzlichem Kindstod steige aber an, sagt Hymel. Das lasse sich damit erklären, dass die Fälle von plötzlichem Kindstod zwischen 1992 und 1998 um 40 Prozent auf 2.800 zurückgegangen sei. Schlafposition Den Rückgang des plötzlichen Kindstods führen Experten auf den Aufruf an alle Eltern zurück, Säuglinge auf dem Rücken und nicht auf dem Bauch schlafen zu legen. Trotz dieses Rückgangs bleibt der plötzliche Kindstod Haupttodesursache für Säuglinge im Alter von weniger als sechs Monaten. Der Kinderärzte-Verband geht allerdings davon aus, dass sich bei genaueren Untersuchungen herausstellen würde, dass es sich bei manch einem Fall von plötzlichem Kindstod in Wahrheit um Mord handelt. Die neuen Richtlinien empfehlen, dass die Autopsie von einem speziell ausgebildeten Arzt oder Gerichtsmediziner vorgenommen werden soll. Wenn dies nicht machbar sei, sollte ein Spezialist in einer Klinik eine Vor-Autopsie vornehmen. Dr. Henry Krous, Pathologe am Kinderkrankenhaus von San Diego, unterstützt zwar im Großen und Ganzen die neuen Empfehlungen, an deren Ausarbeitung er beteiligt war. Er hat aber Bedenken, dass sich viele trauernde Eltern, die ohnehin schon unter dem plötzlichen Tod ihres Kindes zu leiden haben, nun mit einer Aura des Misstrauens konfrontiert sehen könnten. "Ich hoffe, dass in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entsteht, dass es sich bei dem plötzlichen Kindstod wahrscheinlich um Mord handelt, so lange nicht das Gegenteil bewiesen ist", sagt Krous. In der überwiegenden Zahl der Fälle handle es sich eben nicht um Mord. (APA/AP)