Als Francis Paul Mer vor fünfzehn Jahren an die Spitze des damals staatlichen französischen Stahlkonzerns Usinor trat, beneidete ihn niemand um seine Aufgabe. Er übernahm ein hoch verschuldetes, praktisch konkursreifes Unternehmen, das noch dazu in einer krisengeschüttelten Branche tätig war und dem kaum jemand eine echte Überlebenschance gab. Mit schmerzhaften Personalschnitten und einer Neuausrichtung der Produktionspalette, allerdings auch mithilfe großzügiger staatlicher Subventionen gelang die Rettung. Und 1994 auch die Rückkehr in die Gewinnzone. Im Sommer des darauf folgenden Jahres wurde Usinor privatisiert. Mer hat sich nach gelungener Sanierung sofort vehement für einen Rückzug des Staates aus dem Unternehmen eingesetzt. In den Folgejahren führte Mer den größten Stahlkocher Europas mit wechselndem Erfolg. Zwar konnten die meisten Jahre mit "schwarzen Zahlen" abgeschlossen werden, dazwischen gab es aber auch Ausrutscher in Richtung Verlustzone. Zuletzt wurden wieder Gewinne geschrieben, und diese Konstellation will Mer ausnützen, um von der Nummer eins in Europa zur weltweiten Nummer eins zu mutieren. Der geplante Zusammenschluss mit Arbed (Luxemburg) und Aceralia, der jetzt grundsätzlich vereinbart wurde und bis Herbst dieses Jahres über die Bühne gehen soll, würde den weltweit größten Stahlkonzern mit einem Jahresumsatz von 30 Milliarden Euro oder 2180 Milliarden Schilling entstehen lassen, was rund 80 Prozent des österreichischen Bruttonationalprodukts entspricht. Beschäftigen würde dieser Stahlkoloss rund 110.000 Mitarbeiter. Mer wurde am 25. Mai 1939 in Pau im Südwesten Frankreichs geboren. Nach dem Besuch des Lycée Montesquieu in Bordeaux wechselte er an die Pariser Eliteschule Ecole Polytechnique, wo er einen Abschluss als Bergbauingenieur und ein Lizenziat in Wirtschaftswissenschaften erwarb. Seine Berufslaufbahn startete der charismatische Manager, der für seinen autoritären Führungsstil und seine cholerischen Anfälle ebenso bekannt wurde wie für seine soziale Ader, die er unter anderem mit der Befürwortung der 35-Stunden-Woche bewies, 1966 in der Bergbaubehörde des Industrieministeriums. Fünf Jahre später wechselte der seit 1964 mit Catherine Bonfils verheiratete Mer, der drei Töchter hat, in den Mischkonzern Saint-Gobin. Hier bekleidete er verschiedene führende Positionen, sein großes Ziel, Président-Directeur-Général zu werden, erreichte er aber nicht. Dazu eckte der praktizierende Katholik an zu vielen Stellen, darunter sowohl bei den Arbeitgeberverbänden als auch bei den Gewerkschaften, an. Erst der Wechsel zu Usinor führte ihn ganz an die Spitze.(Günter Baburek, Der Standard, Printausgabe, 20.02.2001)