Kosovo
Montenegro beschleunigt seinen Abschied von Jugoslawien
Vorgezogene Parlamentswahlen am 22. April als Auftakt zum Unabhängigkeitsreferendum
Podgorica/Belgrad - Das offizielle Podgorica hat seinen Unabhängigkeitskurs gegenüber Belgrad beschleunigt. Der montenegrinische
Präsident Milo Djukanovic hat am Dienstagnachmittag vorgezogene Parlamentswahlen für den 22. April ausgeschrieben. Sie seien der Auftakt
zum Unabhängigkeitsreferendum, erklärte indes der montenegrinische Außenminister Branko Lukovac für die Medien. Das montenegrinische
Parlament hatte am Montagabend das seit langem erwartete Referendumsgesetz erlassen.
Die Opposition - die Sozialistische Volkspartei und die Volkspartei - ist mit dem Gesetz unzufrieden, gemäß welchem das Stimmrecht bei
dem Referendum nur den montenegrinischen Bürgern mit einem zumindest zweijährigen ständigen Wohnsitz in der kleinen Republik und nicht
etwa auch den in Serbien ansässigen Montenegrinern zustehen soll.
Referendumsboykott
Der Vizevorsitzende der Sozialistischen Volkspartei (SNP), Predrag Bulatovic, hatte im Parlament bereits auch einen Referendumsboykott
durch seine Partei in Aussicht gestellt. Die SNP war nämlich auch bemüht gewesen, die Gültigkeit des Referendums an die 50 Prozent aller
wahlberechtigten Montenegriner und nicht nur an die Referendumsteilnehmer zu binden.
Noch vor dem Referendum, das erwartungsgemäß schon vor Ende Juni stattfinden dürfte, werden die vorgezogenen Parlamentswahlen das
wahre Kräfteverhältnis zwischen den Anhängern der Unabhängigkeit und ihren Gegnern an den Tag legen. Der entscheidende Kampf wird
zwischen der Demokratenpartei der Sozialisten von Djukanovic und den zwei oppositionellen Parteien geführt werden.
Vorsprung der Unabhängigkeitsanhänger
Eine vom slowenischen Institut für Gesellschaftswissenschaften in Laibach im Jänner durchgeführte Meinungsumfrage hat indes zum ersten
Mal einen sehr klaren Vorsprung der Unabhängigkeitsanhänger in Montenegro an den Tag gelegt. Für die Unabhängigkeit hatten sich nämlich
fast 60 Prozent der Befragten geäußert, nur rund 25 Prozent waren dagegen.
Präsident Djukanovic, der gemäß derselben Umfrage als populärster Politiker die Unterstützung von 50 Prozent der Montenegriner genießt,
ist fest entschlossen, noch vor dem Referendum auch den gesetzlichen Rahmen eines unabhängigen Montenegro in allen Bereichen
festzulegen.
Wie immer das Referendum ausfallen werde, werde Montenegro die Befugnisse, welche es vom föderalen Staat übernommen habe, nicht
zurückgeben, soll Djukanovic bei einem Treffen mit montenegrinischen Gerichtspräsidenten in Podgorica am Montag versichert haben.
Föderalen Behörden haben keine Befugnisse mehr
In der Tat gehört Montenegro seit langer Zeit nicht mehr zur Föderation, die sich Jugoslawien nennt. Die föderalen Behörden, das Militär
ausgeschlossen, haben in der kleinen Republik gar keine Befugnisse mehr. Montenegro hat eigene Außenhandels- und Zollvorschriften, auch
die jugoslawische Währung, der Dinar, ist seit dem letzten November aus dem Zahlungsverkehr in der kleinen Republik vertrieben worden.
In Erwartung der Wahlergebnisse in Montenegro - aber auch wegen der Zuspitzung in Südserbien - hat das offizielle Belgrad momentan nur
wenig Zeit für die Regelung der Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro.
Errichtung der Zollkontrolle
Die jüngst und einigermaßen überraschend wieder vorgenommene Errichtung der Zollkontrolle an der administrativen Grenze zwischen den
zwei Republiken, welche das Regime von Milosevic vor Jahren als Druckmaßnahme gegen Podgorica verhängt hatte, erklären die Belgrader
Behörden mit dem Kampf gegen die gewinnträchtigen Schmuggelgeschäfte. Wegen niedriger Zollsätze ist die Importware in Montenegro
nämlich wesentlich billiger als in Serbien, was den montenegrinischen Geschäftsleuten große Gewinne in Serbien gesichert hatte.
Davon, dass sich das Klima zwischen Belgrad und Podgorica nach dem Wahlsieg der serbischen Opposition geändert hat, zeugt auch die
kürzlich erfolgte Einigung über die Benutzung eines gemeinsamen Zollsiegels zwecks Inanspruchnahme von EU-Zollerleichterungen. Die
wichtigste montenegrinische Exportware - das Aluminium - wird aber weiterhin eine Ausnahme darstellen. Die Herkunft des Aluminiums wird
bei der Ausfuhr in die EU-Staaten auch in Zukunft der montenegrinische Zolldienst mit seinem eigenen Stempel bestätigen dürfen. (APA)