Wien - Selten dankt ein Veranstaltungsort seinem zur Beherbergung überantworteten Stück so zeitgerecht wie das Schaufenster des Schauspielhauses. Seit seiner Nützung als seitliche Sprechtheaterbühne des nunmehrigen Musiktheaterhauses musste es einiges an Schimpf in seinem längs der Straßenseite eingepassten Bühnenkasten widerhallend verspüren. Der zweiwöchige Uraufführungsreigen langte jetzt bei Bettina Balàkas Dialogstück Steinschlag an: Zwei Frauen sitzen einander nach dem Begräbnis des beiderseits gekannten Mannes im Eisenbahnabteil gegenüber. Und im Gegenzug fährt ein Wagen der Straßenbahnlinie D vorbei. Eine historisch-kritische Regionalausgabe eines muffigen, orange-braunen ÖBB-Doppelsitzers wurde in beklemmender Fallhöhe an einem Mittelfenster des Raumes turnsicher angeschraubt. Hemma Clemente und Julia Köhler sprechen darauf in stilisierten Posen aus ihrem eigenen, unterschiedlich demolierten Leben: indem sie immer wieder den eben zu Grabe getragenen Welzeck (ein Mann, der zu viel las und trank) erinnern und Elfriede Jelineks "Gier" lesen. Ein von Regisseurin Corinne Eckenstein passend gewähltes Zitat für die an unerfüllter Erklärungssucht Verzweifelnden. Der schnelle, uneitle Text der Salzburgerin Balàka muss in der Tat Vergleiche mit Jelinek nicht scheuen: Aus populären Inhaltsfeldern schält sie gekonnt präzise Wahnbilder. So ist eine Pferdegeschichte, wie sie für gewöhnlich unter Mädchen ausgetauscht wird, bei Balàka eine unfreiwillig fatale Beschreibung eigener Neurosen. Eine in erster Linie sprachbezogene Aufblätterung, in der Eckenstein gut daran tat, ihren Mut zur Einfallslosigkeit gewinnbringend einzulösen: Gedanken in das unverstandene Gegenüber hineingesagt, in die steinige Gebirgslandschaft, die nicht endet. Zugfahren ist leider fad, Landschaft sowieso. Dieses Theater war es nicht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. 2. 2001)