San Francisco/Wien - Die Internet-Musikbörse Napster will der Schallplattenindustrie eine Milliarde Dollar (15,2 Mrd. S/1,1 Mrd. EURO) zahlen, um den Schadenersatzforderungen zu entkommen. Vier große Musikunternehmen lassen Napster gerichtlich verfolgen: Sony, Warner, EMI und Universal. Bertelsmann scherte aus dieser Allianz aus und ging eine Kooperation mit Napster ein. Die Suche nach einer außergerichtlichen Einigung wird zur Überlebensfrage, Experten sehen die Chancen dafür, dass sich die Konzerne darauf einlassen, aber als gering ein. Konkret will Napster an alle fünf Musikriesen über einen Zeitraum von fünf Jahren jährlich 150 Mio. Dollar zahlen, um den Entgeltentgang für Urheberrechte der Musikstücke zu kompensieren, die sich die derzeit 62 Millionen Napsterianer gegenseitig von Festplatte zu Festplatte kopieren. Zusätzlich sollen 50 Millionen Dollar jährlich für unabhängige Labels bereitgestellt werden. Das Geld will Napster künftig über ein Abonnementsystem hereinholen, das monatliche Gebühren zwischen 2,95 und 9,95 Dollar pro User vorsieht. Es soll laut Bertelsmann im Juli starten. Begleitet von Napster-Gründer Shawn Fanning und Bertelsmann-Managern sagte Firmenchef Hank Barry bei der Vorstellung des Vorschlags: "Wir sollten uns alle zusammensetzen und diesen Fall so schnell wie möglich lösen." Doch die Industrie gibt sich zurückhaltend: Der Verband der Schallplattenbranche Amerikas (RIAA) rief Napster am Dienstag auf, zunächst die jüngste Anordnung des Bundesgerichts in San Francisco zu befolgen. Dieses hatte am Montag vergangener Woche entschieden, dass Napster den bisher unbeschränkten Tausch von urheberrechtlich geschütztem Material unterbinden muss. Die Universal Music Group erklärte, der Vorschlag sei nur Wiederholung alter Versprechen, die nicht erfüllt wurden. Skepsis der Musiker Der Napster-Chef vergleicht das Angebot mit den Gebühren, die etwa Musikclubs an die Künstler zahlen - in Österreich die so genannte AKM-Abgabe. Bei österreichischen Musikern und Autoren stößt der Vorschlag jedoch auf Skepsis. Es entspreche nicht der Politik der Urheberrechtsinhaber, ein Pauschalangebot für ein Geschäft zu akzeptieren, dessen Umfang derzeit nicht abschätzbar sei, sagte der Rechtsexperte der Urheberrechtsgesellschaft AKM, Gernot Graninger, im STANDARD-Tagesgespräch. Er rechne jedenfalls damit, dass alle Plattenfirmen bald selbst Musik "on demand" im Internet anbieten werden. Welchen Umfang dieses Geschäft erreichen werde, hänge wesentlich von der Kooperation zwischen den fünf Großen ab, die achtzig Prozent aller Titel repräsentieren. Schließlich solle ja nicht nur das jeweils eigene Repertoire angeboten werden. Die Napster-Nachahmer bereiten den Verwertungsgesellschaften weniger Sorge. Ziel jeder Tauschbörse sei laut Graninger, langfristig mit dem Angebot ein kommerzielles Ergebnis zu erzielen und nicht gratis zu arbeiten. Das habe auch für Napster gegolten. Wenn eine Börse aber in der Öffentlichkeit auftrete, um Kunden zu gewinnen, sei sie für die Durchsetzung der Autorenrechte greifbar. (AP/hm/DER STANDARD, Printausgabe 22.2.2001)