Nicht zufällig wird das Thema Sicherheit bei SPÖ und FPÖ von Frauen thematisiert. Die regierenden SozialdemokratInnen tun dies mit einem weiblichen Konterfei auf Wahlplakat, wobei der Text vermittelt, dass diese Frau sich "auch vor den Angstmachern" in Wien sicher fühlt. Seitens der FPÖ erweckt die Gesamtsumme der Sujets mit Spitzenkandidatin Helene Partik-Pablé den Eindruck, dass überall Gefahren auf Frauen lauern. Text zum Beispiel: "Kriminalität: Auch ich will mich in Wien sicher fühlen". Die SPÖ-Werbende fühlt sich also bereits sicher, während die namentlich bekannte Werberin der FPÖ dieses Gefühl erst erreichen will. Subjektiv gesehen haben beide recht, denn Sicherheitsgefühl ist immer subjektives Erleben. So auch mein Resümee nach einem Workshop des Wiener Frauenbüros im Winter 1994, an den ich mich noch recht gut erinnere. Da erzählten ganz unterschiedliche Frauen von Erfahrungen mit angstbesetzten Situationen im öffentlichen Raum und wie sie damit umgegangen sind. Stärkster Eindruck war für mich eine damals über 70jährige, die auch weit gereist war, wie sich beim Gespräch beim Mittagessen herausstellte. Sie schilderte in der Gruppenarbeit ein Erlebnis, wo sie ein junger Mann offenbar in der Absicht, ihr die Handtasche zu rauben oder sie bis zur Wohnung zu begleiten, um diese auszuräumen, von der Strassenbahnhaltestelle her verfolgte. Sie reagierte mit List und verwickelte ihn in ein Gespräch, bis sie durch die Anwesenheit von Passanten in Sicherheit war. Die Story erzählte sie durchaus amüsiert und ganz und gar nicht eingeschüchtert und an ihrer Unternehmungslust gehindert. Und dann gab es eine ängstliche Frau Mitte 30, wohnhaft in Alterlaa, die mit der geladenen Waffe im Nachtkästchen schläft. Was sie eigentlich gar nicht bräuchte, denn sie war, wie wir auch erfuhren, auch in Kampftechniken recht bewandert. Hatte sie doch einen Mann, der sie in der U-Bahn belästigte, so zurechtgestutzt, dass er dann ärztliche Behandlung benötigte. Sie wirkte aber verkrampft und furchtsam, ganz im Gegensatz zur körperlich schwächeren und unbewaffneten netten Oma. Sicherheit ist also auch eine Frage der Wahrnehmung - und da sollten eigentlich jene, die überall Bedrohungen vermuten, mal ihr Selbstbewusstsein stärken. Wäre zumindest die Schlussfolgerung, fielen die Plakataussagen in einem Workshop. Was nicht heisst, dass Massnahmen, die das Sicherheitsgefühl erhöhen könnten, deshalb überflüssig werden. Gut einsehbare und beleuchtete Gänge, Unterführungen, Haltestellen sollten aber selbstverständlich sein. Und Aktivitäten dürfen auch nicht überzogen sein, denn wer würde sich in einer absolut cleanen Stadt schon wohlfühlen? So ist die Forderung der FPÖ nach einer U-Bahn-Polizei zwar sicherlich gut gemeint, aber wann soll diese eingreifen? Gibt es dann überhaupt noch Situationen, mit denen eine selbstbewusste Frau selbst fertigwerden soll? Etwa Pöbeleien oder unerwünschtes Ansprechen, gegen das "lass mich in Frieden!" meistens hilft? Letztlich werden sich die Frauen den meisten Raum nehmen, die das Gefühl haben, in Wien auch nachts fast überall unterwegs sein zu können. Etwas, das übrigens gerade jene Frauen gerne tun, die ganz andere Städte erlebt haben. Und wohl mit diesem Vergleich recht haben. Wobei, apropos subjektiv: ich finde ehrlich gesagt einen nächtlichen Spaziergang am Donaukanal verlockender als auf Besuch bei meinen Eltern in der Nähe von Graz dann vom letzten Bus um Mitternacht am Stadtrand ein paar Kilometer bis zu ihrem Haus zu gehen. Da ist dann die ländliche Nacht - nur selten Autos unterwegs, aber lautes Gegröhle von den Männerlokalen, die noch offen haben - für mich als Städterin fremd und potentiell beunruhigend...