Wien - Es gehört zu den schönen Momenten im Kino, wenn man zunächst einmal nicht weiterweiß, in einem produktiven Sinn nicht versteht, was auf der Leinwand anfängt, sich zu entwickeln - da hilft dann nämlich bloß abzuwarten. Ningen gokaku von Kiyoshi Kurosawa ( Cure; Korei; Oinaru gen'ei ) etwa beginnt an einem Krankenbett. Yutaka (Hidetoshi Nishijima) wacht auf und erfährt von seinem Besucher Fujimori, dass zehn Jahre vergangen sind, seit er nach einem Unfall ins Koma gefallen ist. Punkt. Der Junge trottet hinter dem Älteren her, zieht bei ihm ein, schläft viel, trifft alte Schulkameraden und beteiligt sich ab und zu an Fujimoris undurchsichtigen Aufräumaktionen. Eine Möglichkeit zu beschreiben, wie sich das anfühlen könnte, wenn man sich als Gespenster-Existenz erst wieder einfinden muss im täglichen Leben. "Entweder biegst du ab, oder du hältst" - die dritte Möglichkeit, nämlich einfach irgendwo oder irgendwen anzurempeln, kommt in Ningen gokaku ausführlich zur Anwendung. Yutaka, der sich nicht gerne wortreich erklärt, praktiziert lieber physische Renitenz. Manchmal fällt er dabei auch buchstäblich aus dem Bildrahmen. Lakonisch könnte man das vielleicht nennen, wenn es eine Pose wäre, aber bei Kurosawa geht es mehr um Existenzweisen. Auch der Ton spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Schritte hallen dumpf durchs Haus. Den verbalen Austausch von Yutaka und seinem väterlichen Freund Fujimori dominieren Halbsätze und Grummellaute. Erst allmählich wird klar, dass Yutaka beharrlich an einer Zusammenführung seiner inzwischen praktisch in alle Winde zerstreuten Familie arbeitet. Von der "Fish Farm" zur "Dude Ranch": Auf dem Gelände des Familienwohnsitzes, wo Fujimori ein Anglerbassin betreibt, um das sich stoische junge Männer scharen, soll wieder so wie früher ein Ponyring entstehen. Heute, Donnerstag, wird Ningen gokaku als österreichische Erstaufführung im Filmcasino gezeigt. Vorher gibt es im Rahmen eines Vortrags mit anschließendem Gespräch die Gelegenheit, vom Regisseur persönlich etwas über seine Arbeit zu erfahren. Vom 27. April bis 3. Mai werden dann auch seine übrigen Filme bei einer Kurosawa-Retrospektive im Votiv-Kino zu sehen sein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. 2. 2001)