Als der Morgen graute, sangen Fans ihre Lieder, es waren zwei Hand voll (Lieder und Fans), und sie waren überhaupt nicht laut und aufdringlich. Es schneite dicke Flocken in Lahti und auf das österreichische Haus, das ein Schiff ist. Anderswo könnte zu dieser Stimmung der Begriff "Wintermärchen" gequält werden, hier ist das egal. Denn zu einer nachhaltigen Verschönerung Lahtis bedarf es schon anderer Gewalten. Die Feier hatte ihrer Ursache in der Silbermedaille der österreichischen Kombinierer, die Fans waren keine anonymen Narren, sondern Freunde der Sportler. Freunde von Felix Gottwald, Mario Stecher, David Kreiner und von Christoph Eugen. Sie waren Teile der lieben Familie. 200 gemeinsame Tage Cheftrainer Günther Chromecek hat nichts gegen das Image, eine harmonische Partie zu sein, der Stempel ist sogar ein selbst aufgedrückter. "Weil er der Wahrheit nahe kommt. Wir verbringen 200 Tage im Jahr miteinander." Silvester wird traditionell im Sommer nachgefeiert. Der Egoismus wurde vom Familienrat abgeschafft. "Natürlich muss jeder Spitzensportler Egoist sein. Aber es darf nicht ausarten. Einer von uns braucht Mut und Demut. Mut, wenn er von der Schanze springt. Und Demut vor den Leistungen der anderen." Der 38-jährige Chromecek ist seit sechs Jahren im Amt, nach der WM 1999 in der Ramsau wurde er kurz infrage gestellt, Stechers Silberne im Sprint war dem Verbleib förderlich. "Im Fußball wäre ich weg." Andi kam ohne Tamtam In Chromeceks Familie ist jeder gleichberechtigt. "Es gibt keinen Messias, der alles weiß und kann. Jede Meinung hat es verdient, angehört zu werden. Man muss dann gemeinsam die beste aussuchen. Ich trete für den mündigen Menschen ein." Als Andreas Felder im Sommer Trainer für die Sparte Springen wurde, gab es überhaupt kein Problem. Weder für Felder, schon gar nicht für Chromecek. "Die Familie ist nur gewachsen. Andi kam ohne Tamtam, machte sich nicht wichtig. Er war wichtig." Die vier Versilberten sind natürlich von unterschiedlichem Charakter, nehmen spezielle Rollen ein. Gottwald ist der Leitwolf, führt im Weltcup, hat aus Enttäuschungen gelernt. Chromecek: "Er hat Watschen gekriegt, und ist danach noch zielstrebiger geworden." Ad Stecher: "Seine Verletzung hat ihn zurückgeworfen. Er ist extrem ehrgeizig, ein starke Persönlichkeit und ichbezogen." Ad Kreiner: "Das Baby ist zum Teenager gereift. Er steht noch nicht im Mittelpunkt, weiß, dass er noch Zeit braucht. Er weiß aber auch, dass sie kommt." Ad Eugen: "Der Ruhigste, die Verlässlichkeit in Person." Das Privatduell Mit ein Grund für den Aufschwung ist die Neuordnung innerhalb des ÖSV. Anton Innauer gab Biathlon und Langlauf an Walter Mayer ab, konzentrierte sich aufs Spezialspringen und Kombinieren. Chromecek: "Innauer und Mayer führen ein kleines Privatduell, stacheln sich gegenseitig auf." Das Kombi-Budget beträgt 5,5 Millionen Schilling, die Langläufer haben mehr als neun. Im Nachwuchs schaut es nicht so übel aus, gefördert wird in Eisenerz. "Früher wurde ein Springer irgendwann Kombinierer. Jetzt wird gezielt ausgebildet." Chromecek schließt nicht aus, dass am Samstag im Sprint die dritte Medaille geschafft wird. "Dann sind wir noch einmal interessant. Aber mir ist klar, dass das Stiefmutterdasein Vorteile bringt. So kann alles im Kreis der Familie besprochen werden." (Der Standard-Printausgabe, 22.2.2001, Christian Hackl)