Wien/Stockholm - Bereits jeder vierte Todesfall unter jungen Männern und jeder zehnte bei jungen Frauen in Europa gehen auf das Konto von Alkohol. Bei alkoholbedingten Verkehrsunfällen, Vergiftungen, Suiziden oder gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen pro Jahr 50.500 Europäer und 7500 Europäerinnen vor ihrem 30. Geburtstag ums Leben. Diese alarmierenden Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO wurden bei einer am Mittwoch in Stockholm zu Ende gegangenen EU-Ministerkonferenz zum Thema "Jugend und Alkohol" veröffentlicht. Österreich war durch Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck (FPÖ) vertreten. WHO-Generaldirektorin Gro Harlem Brundtland warf den großen Alkoholproduzenten vor, Jugendliche bewusst zu Gewohnheitstrinkern zu machen. Durch das Hervorheben von jungem Lifestyle, Sex, Sport und Spaß in der Werbung versuchten die Unternehmen, das regelmäßige Trinken bereits bei sehr jungen Menschen zu verankern. Auch mit dem Mischen von Fruchtsäften, Energiedrinks sowie vorgemixten Alkoholika fördere die Industrie jugendliche Säuferkarrieren. Besonders in Teilen Osteuropas (Russland, Weißrussland, Estland, Lettland, Litauen, Ukraine, Ungarn und Usbekistan) ist die Situation dramatisch: Dort machen dem Alkohol zugeschriebene Todesfälle bereits ein Drittel der Gesamtmortalität aus. In Westeuropa liegt dieser Anteil bei knapp 13 Prozent. Die gesellschaftlichen Kosten des Alkoholkonsums betragen laut WHO zwischen ein und drei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts. Milliardenkosten Für die Europäische Union wurde eine jährliche Schadenssumme von umgerechnet 2,7 Milliarden Schilling (198 Mio. Euro) genannt. Etwa 20 Prozent davon werden für gesundheitliche, soziale und rechtliche Dienste aufgebracht, zehn Prozent werden durch materielle Schäden verursacht, 70 Prozent setzen sich zusammen aus den Einkommensverlusten der Personen, die vorzeitig sterben oder nicht imstande sind, ihre gesellschaftlich produktiven Aufgaben wahrzunehmen. Europas beliebtestes Suchtmittel, gemessen an der getrunkenen Menge, ist Bier mit durchschnittlich 71,6 Litern pro Kopf und Jahr. Bei Wein beträgt der jährliche Verbrauch knapp 27 Liter, bei Schnaps 2,2 Liter. Generell ist in Europa zwar festzustellen, dass der Konsum von Alkohol in den vergangenen zehn Jahren leicht rückläufig ist, doch der Anteil der Jungen in der Gruppe der Trinker wird immer größer. Appell an Alkolobby EU-Gesundheitskommissar David Byrne appellierte deshalb am Mittwoch in Stockholm an die Alkohollobby, mitzuhelfen, diesen Trend durch "freiwillige Initiativen" zu stoppen. Außerdem, so Byrne, sollten die geltenden Gesetze in Bezug auf Alkoholverkauf an Jugendliche rigoros eingehalten werden. Weitere von der Weltgesundheitsorganisation vorgeschlagene Maßnahmen zur Reduktion des europäischen Alkoholproblems sind eine höhere Besteuerung von Bier, Schnaps und Wein, strengere Werbebeschränkungen für alkoholische Getränke und eine möglichst früh ansetzende Suchtprävention. (Christoph Prantner/Michael Simoner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. Februar 2001) DER STANDARD-Web-Tipp: www.who.dk