Washington/New York - Die Kontroversen um die Amnestien, die der ehemalige amerikanische Präsident Bill Clinton während seiner letzten Amtsstunden im Weißen Haus erlassen hatte, nehmen in den USA kein Ende: Nun ist auch Clintons Schwager Hugh Rodham, ein Bruder der seit November im Amt befindlichen Senatorin Hillary Rodham Clinton, in die Angelegenheit verwickelt. Mit deutlichen Worten hat die frühere "First Lady" und heutige US-Senatorin Hillary Clinton das Verhalten ihres Bruders in der Begnadigungsaffäre um den ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton gerügt. Sei sei zutiefst enttäuscht darüber, dass Hugh Rodham Geld von zwei nach Gnade Suchenden genommen habe, sagte Frau Clinton am Donnerstag vor Journalisten in Washington. Sie selbst habe davon erst am Montagabend erfahren und sofort verlangt, dass ihr Bruder das Geld zurückzahle. Laut Rodhams Anwältin wurde die Summe - nach Medienberichten bis zu 400.000 Dollar (441.696 Euro/6,08 Millionen Schilling) - mittlerweile erstattet. Bill Clinton hatte die beiden Begnadigungen an seinem letzten Tag im Amt, dem 20. Jänner, unterzeichnet. Am Mittwoch wurde bekannt, dass der Rechtsanwalt Rodham sich im Weißen Haus für zwei seiner Klienten eingesetzt hatte - den verurteilten Betrüger Almon Glenn Braswell und den ebenfalls verurteilten und zurzeit der Amnestie noch in Haft befindlichen Kokain-Dealer Carlos Vignali. Braswells Vorstrafe wurde durch Clintons Gnadenakt aus dem Strafregister getilgt, Vignalis Gefängnisstrafe wurde auf Bewährung ausgesetzt und Vignali selbst aus der Haft entlassen. Braswell war vor fast 20 Jahren wegen Betruges und anderer Vergehen zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Clinton ließ dieses Urteil mit der Begründung tilgen, dass Braswell sich seitdem nichts mehr zuschulden habe kommen lassen. Kurz nach Verkündung dieser Amnestie wurde allerdings bekannt, dass in Kalifornien gegen Braswell wegen des Verdachts des massiven Steuerbetrugs und der Geldwäsche ermittelt wird. Rodham erhielt für seine Interventionen angeblich nahezu 400.000 Dollar an Gebühren, die er jedoch auf Aufforderung beider Clintons inzwischen retourniert hat. Der ehemalige Präsident gab am Mittwoch ein Statement ab, dass weder er noch Hillary von derartigen Zahlungen gewusst hätten. "Wir sind über diese Berichte zutiefst besorgt und haben darauf bestanden, dass Hugh alle Gelder, die er erhalten hat, zurückgibt." Medienberichten zufolge soll Bill Clinton über die neuesten Enthüllungen äußerst wütend gewesen sein. Aus seinem Umfeld verlautet, dass Rodham die Angelegenheit weder mit seinem Schwager noch seiner Schwester besprochen habe. Auch Hillary distanzierte sich in einer ersten Stellungnahme von ihrem Bruder: "Hugh hat diese Ansuchen mit mir nicht besprochen." Im Prinzip ist es nicht illegal, für die Rechtsanwaltsdienste, die Hugh Rodham geleistet hat, eine Entlohnung zu erhalten - im konkreten Fall könnte aber zweifellos argumentiert werden, dass der Anwalt seinen Zugang zum Präsidenten für seine eigenen Zwecke ausgenützt hat. Gerechtigkeit für jene mit Geld und Einfluss Für die Republikaner, unter deren Federführung bereits Hearings im US-Repräsentantenhaus sowie im Senat über die kontroversiellen Amnestien des Expräsidenten abgehalten werden, ist diese neuerliche Enthüllung ein gefundenes Fressen: "Es sieht so aus, als gebe es eine Art von Gerechtigkeit für jene mit Geld und Einfluss und eine andere Gerechtigkeit für alle anderen", erklärte Dan Burton, der Vorsitzende des einschlägigen Komitees im Repräsentantenhaus. Burton plant, Hugh Rodham vor sein Komitee zu laden. Clinton selbst wird unterdessen weiterhin auch heftig für die Begnadigung kritisiert, die er dem flüchtigen Milliardär Marc Rich und einem seiner Kompagnons gewährt hat. Der Versuch einer Erklärung seiner Beweggründe, den Clinton am Sonntag in der New York Times publiziert hat, hat sich als kontraproduktiv erwiesen, weil er nach Meinung vieler Beobachter mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Rudy Giuliani, der Bürgermeister von New York, der vormals als Staatsanwalt gegen Rich tätig war, behauptet, Clinton hätte die Meinung seines eigenen Justizministeriums "total ignoriert". Auch die von Clinton genannten drei "distinguierten republikanischen Anwälte", die den Fall angeblich "untersucht und unterstützt" hätten, stritten ihre Beteiligung an der Begnadigung ab. Alle drei hatten zwar während der 80er als Anwälte von Marc Rich fungiert, aber sich seither nicht mehr für den in der Schweiz lebenden Rohstoffhändler eingesetzt. Mittlerweile hat auch der Bürgermeister von Jerusalem, Ehud Olmert, bekannt gegeben, dass er von Marc Rich vor acht Jahren Wahlspenden in Höhe von 25.000 Dollar erhalten habe. Olmert gehört zu jenen prominenten Israelis, die sich für die Amnestie von Rich eingesetzt hatten. Trotz großzügiger Spenden - die Rede ist von 100 Millionen Dollar - an kulturelle, medizinische und Erziehungsinstitutionen in Israel schien sich Rich generell aus der Parteipolitik in Israel herausgehalten zu haben. Bisher ist nicht bekannt, ob Rich auch Ehud Barak, der sich ebenfalls bei Clinton für ihn eingesetzt hatte, Wahlspenden zukommen ließ. (Susi Schneider/APA/AP/DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2201)