Wenig Übleres kann einer Partei widerfahren als eine überlebensgroße Führerfigur, die auch nach ihrem Abgang von der politischen Bühne noch das meiste Interesse der Medien für sich beansprucht. Helmut Kohl, dessen mächtiger Schatten seine Nachfolgerin Angela Merkel nach wie vor verdeckt, ist so ein Fall. Und so wie die Dinge nach den jüngsten Enthüllungen in der Begnadigungsaffäre Bill Clinton liegen, wird auch der amerikanische Expräsident mit seinem schier unerschöpflichen Affärenpotenzial die Aufmerksamkeit der US-Öffentlichkeit auf absehbare Zeit hinaus absorbieren. Gut für George W. Bush, der im Kontrast mit Clinton besser abschneidet, als er es verdient, schlecht für Hillary Clinton, die sich langsam als Präsidentschaftskandidatin aufbauen möchte, und schlecht für die Demokraten, die der Gedankenkonnex zwischen ihrer Partei und dem Skandalmann, dessen Affären nicht und nicht enden wollen, aus begreiflichen Gründen in Weißglut versetzt. Anstelle eines Elder Statesman, der ein paar Spendengelder einsammelt oder ein paar Tipps aus seinem Erfahrungsschatz verteilt, hat die Partei eine Figur am Hals, die ihr Image noch gleichsam aus dem politischen Off heraus besudelt. In der Tat hat die rekordverdächtige ökonomische Ausbeutung des Präsidentenamtes, die Clinton in der Endphase seines Jobs betrieben hat, wenig Anziehendes. Da wurde noch beim Mobiliar im Weißen Haus zugegriffen, um bei den Einrichtungskosten für die neuen Clinton-Domizile in Washington und New York zu sparen. Und bei der einträglichen Amnestie-Orgie, mit der er sein Wirken beschloss, dürften nicht nur die Demokraten Spendengelder lukriert haben, es dürfte auch Clintons liebe Familie auf ihre Kosten gekommen sein. Die Optik ist verheerend: Clinton wird es sich selbst zuzuschreiben haben, wenn er nicht als großer Präsident, sondern als kleinlicher Raffzahn in die Geschichte eingeht. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2001)