Brüssel - Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat Österreich am Freitag bei seiner Interpretation des Transitvertrages (laut Protokoll des EU- Beitrittsvertrages von 1994) im Streit mit der EU-Kommission umfassend Recht gegeben. In einer einstweiligen Verfügung hoben die Höchstrichter eine Verordnung der Kommission zur Ökopunktevergabe vom Vorjahr als vertragswidrig auf. Diese sah einen viel langsameren Abbau der Transitfahrten (die im Jahr 2000 die Obergrenze von 108 Prozent - bezogen auf das Referenzjahr - überschritten) vor, als die Bundesregierung in Wien verlangt hatte. Brüssel wollte überschüssige Fahrten über drei Jahre hinweg bis zum Auslaufen des Vertrages Ende 2003 zurücknehmen, wie das im EU-Verkehrsministerrat auch beschlossen worden war. Argument dafür war, dass sonst im letzten Quartal des Vorjahres der Verkehr über den Brenner zum Stillstand gekommen wäre. Und die Kommission stützte sich auf Untersuchungen, wonach der Hauptzweck des Transitvertrages - die Rücknahme der Schadstoffbelastungen auf 60 Prozent - erreicht werden würde. Österreich hingegen beharrte darauf, Limits für die Fahrten seien integraler Vertragsbestandteil. Eine Reduktion überzähliger Fahrten durch Einschränkung von Ökopunkten müsse innerhalb eines Jahres erfolgen. Ökopunkte sind Messgrößen für die Umweltbelastung durch Lkw. Schutz für die Umwelt Der EuGH-Präsident, der die einstweilige Verfügung erließ, wies darauf hin, dass die Durchführung der strittigen Verordnung zu einer Zunahme der Transitfahrten und den damit verbundenen Störungen führen würde. Der Schaden könne rückwirkend nicht wieder gut gemacht werden. Daher sei Österreich Rechtsschutz zu gewähren, ehe es zu einer "Festigung der unumkehrbaren Situation" komme. Auch wenn die Entscheidung des EuGH nur vorläufig ist und ein endgültiges Urteil vermutlich erst in zwei Jahren vorliegen wird, hat die Entscheidung weit reichende Konsequenzen für die Vergabe von Ökopunkten an die Frächter aus EU-Ländern. "Das ist ohne Zweifel ein Erfolg für Österreich", sagte Gilles Gantelet, Sprecher von Verkehrskommissarin Loyola de Palacio, dem Standard. Die Kommission wolle nun erst die rechtlichen Folgen der Luxemburger Entscheidung studieren, ehe sie eine offizielle Stellungnahme abgebe und neue Vorschläge mache, sagte er. Die bestehende Verordnung "ist aber suspendiert". Die Kommission werde darauf achten, dass die vom Gericht eingemahnten "Interessen Österreichs gesichert werden". Dies werde Basis für Entscheidungen über Ökopunkte im Jahr 2001 sein, wobei man auch erst abwarten müsse, was die Partnerländer Österreichs tun würden. Eine neue formelle Entscheidung über das Transitregime sei aufgrund der Abläufe nicht vor April zu erwarten. Verkehrsministerin Monika Forstinger sieht im EuGH-Entscheid eine Unterstützung in der Argumentation für die Beibehaltung der Transit-Regelung auch nach Auslaufen des Vertrags Ende 2003. "Die Verhandlungen für eine Nachfolgeregelung bekommen dadurch eine begrüßenswerte Aktualität", erklärte Forstinger. Die EuGH-Entscheidung sei jedenfalls ein "großer Erfolg". (Von Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD Print-Ausgabe, 24.2.2001)