Washington - Am 24. Februar 1991 begann die heiße Phase des Golfkriegs, alliierte Bodentruppen griffen die irakischen an.
Nach vier Tagen war alles vorbei, die USA hatten 148 Tote zu beklagen - 35 durch "friendly fire" der eigenen Truppen -, bis
zum Herbst waren alle 697.000 US-Soldaten wieder zu Hause.
Seitdem geht der Streit um das "Golfkriegssyndrom" - ein unbestimmtes Leiden mit einer Fülle verschiedenster Symptome,
von Kopfweh über Orientierungsverlust bis Muskelschwäche -, an dem 100.000 US-Veteranen leiden und das trotz zehn
Jahren und 155 Millionen Dollar von der Forschung bis heute ungeklärt ist. Kandidaten für die Ursache gibt es viele,
chemische Waffen, Impfstoffe gegen Biowaffen, Insektizide gegen Moskitos, Geschoßhüllen aus abgereichertem Uran: "Es
herrschte eine toxische Suppe", urteilt der Chefforscher der US-Veteranenbehörde.
Kriegsübliches Chaos
Und es herrschte kriegsübliches Chaos. Eine der Giftquellen war ein irakisches Munitionsdepot, das von US-Truppen
gesprengt wurde, die nicht wussten, dass dort auch große Mengen von Giftgasen lagerten. Als das 1996 bekannt wurde,
suchte das US-Verteidigungsministerium nach betroffenen Soldaten, hatte aber keine richtige Übersicht. Deshalb stellte man
zur Rekonstruktion die Explosion noch einmal auf US-Boden nach.
Zusammen mit Wetterdaten aus dem Krieg wollte man die Ausbreitung der Gifte rekonstruieren und die Betroffenen
untersuchen. Aber man verrechnete sich und alarmierte die Falschen, die dann auch in Reihenuntersuchungen nichts
Besonderes zeigten.
Aber nach äußerlichen Kriterien zeigen sie allesamt nichts Besonderes: Die Sterberate der Veteranen vom Golf ist nicht
höher als die ihrer Kameraden, die in den USA geblieben waren, sie sind auch nicht häufiger im Spital, und ihre Kinder sind
nicht - wie lange vermutet wurde - in ihrer DNA geschädigt.
Gleich mehrere Varianten
Aber sie fühlen sich trotz allem schlecht, und eine der wenigen Untersuchungen, die überhaupt etwas gefunden hat, fand
gleich drei verschiedene Syndrome plus Ursachen: "Gedächtnischwäche" (durch Flohhalsbänder, die viele Soldaten
umgehängt hatten), "Konfusion" (durch Giftgas), "Muskelschwäche" (durch Insektizide). Aber die analysierten Kohorten sind
extrem klein, die Mehrzahl der Forscher folgten dem Befund nicht.
Dafür drängten - unter zunehmendem Druck des US-Parlaments - etliche Wunderheiler ins reich dotierte Zentrum. Einer von
ihnen vermutet ein Bakterium als Ursache und hat jahrelang mit Antibiotika therapiert, aber die Ergebnisse nie publiziert.
So gab es denn auch bei einer US-Ärztetagung zum zehnten Jahrestag kaum Hoffnung, die Ursachen je finden zu können.
Wenn es denn besondere Ursachen gibt: An den Erlebnissen von Kriegen - und schweren Katastrophen - leiden immer viele
Beteiligte, das Syndrom hat nur jeweils einen anderen Namen. (jl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25. 2. 2001)