Die Kunsthalle Krems setzt mit "Johann Hauser - Im Hinterland des Herzens" ihre Serie großer monographischer Einzelpräsentationen fort. Helmut Zambo kuratierte eine umfassende Werkschau des Stars aus dem Gugginger Haus der Künstler.
Von Markus Mittringer
Flugzeuge haben ihn begeistert, Tragflügelboote, Raketen - und Frauen. Sein Zimmer im Haus der Künstler in Gugging glich - so schildern es übereinstimmend Freunde und Sammler - einem durchaus aufgeräumten Kinderzimmer. Spielzeuge waren seine Leidenschaft. Eine seiner Leidenschaften. Daneben die Frauen, die schönen, die reichen, die berühmten Frauen. Die hat er nur aus Zeitschriften gekannt, die waren seinen Königinnen. Johann Hauser war der kleine Bub, der sich spielend ein Weltbild zurechtlegte. Und er war gleichzeitig der Mann, der sich leidenschaftlich sehnte, liebte, begehrte. Johann Hauser war psychisch krank, über Jahrzehnte bestimmte die Abfolge von Manie und Depression sein Leben.

Erst als Johann Feilacher, der Nachfolger von Leo Navratil als Primar in Gugging, Ende der 80er-Jahre seine Medikation änderte, die Tranquilizer durch ein Lithiumpräparat ersetzte, ebnete sich das Auf und Ab seines Gemütes, konnte Hauser bis zu seinem Tod 1996 ein "normales" Leben führen. Mit Stimmungsschwankungen innerhalb des Rahmens, der auch jedes andere "normale" Leben bestimmt.

Hauser war der Star unter den Guggingern. Er war sich seiner Rolle als Künstler bewusst, genoss die Aufmerksamkeit von "außen", konnte sich als Erster einen Fernseher erarbeiten, reiste und flanierte begeistert durch Kaffeehäuser. (1987 entstand kein einziges Bild, weil es ihm viel interessanter erschien, mit Damen unterwegs zu sein und zu flirten.) Und: Hauser war fesch. Stets gut gekleidet: Anzug, Hemd, Krawatte oder Fliege. Dazu kam ein verwegener Silberblick. Immer wieder begegnet uns die Person Hauser auf gut 50 bisher unveröffentlichten Schwarz-Weiß-Fotos, die Lui Dimanche bei Ausflügen mit dem Freund aufgenommen hat: "Er hat Zeichen-und Farbstifte mitgenommen, einen weißen Karton. Bestellt Speisen, Getränke, Torten - erblickt ,etwas' auf der Donau, zeichnet, isst, trinkt Cola, scherzt mit der Kellnerin. Ist gut drauf. Eine Zeichnung entsteht. Ein ,Tragflügelboot' ist auf der Donau vorbeigeschwebt. Es hat ihn inspiriert."

Helmut Zambo hat, nach seiner Arnulf-Rainer-Schau, nun die zweite Personale in der Kremser Serie von Retrospektiven realisiert. Erneut lässt er den Sammlerblick die Hängung dominieren, stellt subjektiv Blöcke zusammen, die vor allem eines zeigen: Intensität. Gruppen, die Johann Hauser als Künstler zeigen, dem - wie Arnulf Rainer seiner Antwortsuche auf die Frage "Wer aber ist Johann Hauser?" vorstellt - "es gelingt, durch die Qualität seines künstlerischen Werkes 99 Prozent der professionellen Maler zu degradieren."

Zambo lässt die Porträts von Johann Hauser immer wieder in den Werkblöcken aufblitzen. Er widmet die Retrospektive nur ihm. Kein Bild verweist auf die anderen Gugginger. Hauser wird als singuläre Künstlerpersönlichkeit gezeigt. Nicht ohne den Kontext seiner Krankheit zu verdrängen, aber auch ohne diesen explizit hervorzuheben. Kurator Zambo hält es mit der Definition Jean Dubuffets, der gemäß eine Ab- oder Eingrenzung der Kunst Geisteskranker ebenso wenig Sinn ergäbe wie eine eigene kunsthistorische Kategorie für die Kreationen der Kniekranken.

Die bisher umfassendste Retrospektive - lediglich von Leihgaben aus Übersee wurde aus Budgetgründen Abstand genommen - belegt als großer Erlebnisparcours die Unmittelbarkeit, mit der Johann Hauser einen Augenblick zu konzentrieren, die Essenz eines Momentes festzuhalten vermochte. Seine Zeichnungen sind ungemein fordernd. Vehement behaupten sie einen besessenen Gestaltungswillen, manifestieren eine Weltsicht, die wahr ist, der keine akademische Absicht, kein Festhalten an Regeln, kein Klammern an Konventionen filternd vorsteht.

Immer wieder kam es auch in Hausers Leben/Oeuvre zu Momenten, da er keine üppigen Damen, keine wehrhaften Panzer und auch nicht kühne Flugapparate zu Papier bringen konnte. Dann setzte er schlichte rote Herzen aufs Blatt, schwarze Kreuze oder monochrome Vierecke. Und gerade in diesen kargen Werken zeigt sich, dass da hinter allem manischen Drängen ein enormes gestalterisches Talent war. (DER STANDARD 26.2.2001)