Istanbul - Außenministerin Benita Ferrero-Waldner hat zur Unterstützung der Türkei aufgerufen. "Ich glaube, es ist wichtig, dass wir in einer schwierigen Zeit bereit stehen und auch psychologische Unterstützung leisten", sagte Ferrero-Waldner am Sonntag in Istanbul zum Abschluss ihres Besuches in der Türkei. Das Land am Bosporus steckt in einer schweren Finanzkrise. Auf Ersuchen ihrer Gesprächspartner habe sie mit EU-Kommissionspräsident Romano Prodi ein Telefonat über die aktuelle Lage geführt, sagte die Ministerin. Nähere Einzelheiten wollte Ferrero-Waldner zunächst nicht nennen. Sie werde nun am Montag ihre Amtskollegen im EU-Außenministerrat in Brüssel über ihre Gespräche in der Türkei informieren. "Diese Reise ist in einem schwierigen Moment erfolgt. Gerade da ist es wichtig, zu zeigen, dass wir als befreundetes Land bereit stehen", sagte Ferrero-Waldner unter Hinweis auf die Finanzkrise der vergangenen Tagen. Die türkische Regierung hatte Donnerstag früh den Wechselkurs der Landeswährung Lira überraschend freigegeben. In der Folge kam es zu einem Kurssturz und die Lira verlor rund 40 Prozent ihres Wertes. Die Regierung kam Samstagabend zu einer Krisensitzung zusammen, die erwartete Kabinettsumbildung blieb aber vorerst aus. Nach Informationen der türkischen Presse von Sonntag wird daran gedacht, einen neuen "Superminister" für alle wirtschaftlichen Angelegenheiten im Range eines Vize-Regierungschefs zu bestellen. Zu den Bemühungen der Türkei um eine Annäherung an die EU betonte Ferrero-Waldner am Freitag in Ankara nach einem Gespräch mit ihrem Amtskollegen Ismail Cem, das Land stehe dabei erst "am Anfang des Weges". Sie sprach sich dagegen aus, die Türkei unter Druck zu setzen. Zugleich betonte sie aber auch, dass die Türkei wie andere Beitrittskandidaten die Kopenhagener Kriterien (Demokratie, Menschenrechte, Marktwirtschaft) erfüllen müsse. Besondere Bedeutung komme dem Nationalen Programm der Türkei zu, in dem die Reformmaßnahmen zur Vorbereitung des Landes auf die EU-Mitgliedschaft festgehalten werden sollen. Der Nationale Sicherheitsrat berät darüber am Montag. Laut Ferrero-Waldner soll das Programm im März vorgelegt werden. In den besonders kritischen Bereichen Menschen- und Minderheitenrechte hofft Österreichs Außenministerin, dass sich eine "liberale" Position in dem Programm durchsetzen werde. Realistisch sei damit zu rechnen, dass das Nationale Programm ein Kompromiss werde. Entscheidend sei aber dann die Umsetzung: "Man muss dem Land eine Chance geben, innere Prozesse zu fördern." Im Gespräch mit Menschenrechtsorganisationen ließ sich Ferrero-Waldner am Samstag über die aktuelle Lage in der Türkei informieren. Diese ist nach Angaben des Vereins für Menschenrechte (IHD) weiterhin ernst. Seit Zuerkennung des EU-Kandidatenstatus an die Türkei im Dezember 1999 hätten "Regierung und Justiz keine Schritte zu einer Verbesserung" eingeleitet. Die Türkei gibt selbst zu, dass sie derzeit 10.000 politische Häftlinge in ihren Gefängnissen eingesperrt hat. Die Arbeit von Menschenrechtsgruppen wird von den Behörden weiterhin systematisch zu verhindern gesucht. Aufgrund der aktuellen politischen Lage entfiel ein Gespräch zwischen Ferrero-Waldner und dem türkischen Vizepremier Mesut Yilmaz in Istanbul. Dafür kam die Außenministerin mit Vertretern des Unternehmerverbandes TÜSIAD zusammen, die von der Regierung rasche Schritte forderten, um das Vertrauen in die türkische Wirtschaft wieder herzustellen. Nach einer Teilnahme am Wiener Opernball in Istanbul, einem Besuch im St. Georg-Kolleg und einem Kulturprogramm stattete Ferrero-Waldner am Sonntag dem orthodoxen Patriarchen Bartholomaios I. einen Besuch ab, ehe sie am Abend nach Wien zurückkehrt. (APA)