Drei Tage nach dem Zusammenbruch des türkischen Finanzmarktes und der daraufhin erfolgten Freigabe des Wechselkurses wird nun erste, traurige Bilanz gezogen und nach Schuldigen gesucht. Mehr als 30 Prozent hat die türkische Lira seit der Entscheidung, die feste Bindung an einen Währungskorb von Dollar und Euro aufzuheben, verloren. Der Schaden ist immens. Praktisch jeder hat Geld verloren und kann sich von seinem Einkommen wesentlich weniger leisten als zuvor. Vor allem bei Rentnern und den Millionen Menschen, die sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen, führt die Geldentwertung zu einer existenziellen Bedrohung. Mit der Abwertung ist aber auch ein enormer Vertrauensverlust in die gesamte Ökonomie des Landes verbunden. Internationale Ratingagenturen haben die Türkei heruntergestuft, sodass ausländische Investoren jetzt einen noch größeren Bogen um das Land machen. 14 Monate nach dem Start eines mit dem Internationalen Währungsfonds erarbeiteten Reformprogramms ist das Desaster damit komplett. Die Inflation wird wieder steigen, der schmerzhafte Lohnverzicht im gesamten, ohnehin nur erbärmlich besoldeten öffentlichen Dienst war umsonst. Innerhalb der türkischen Regierung sucht man die Schuld nun bei den Finanzfachleuten. Doch jetzt lediglich den Zentralbankchef auszutauschen wird der Regierung von Bülent Ecevit nicht weiterhelfen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist für den Rücktritt des ganzen Kabinetts. Und wenn auch die wesentliche Ursache für das Scheitern des Reformprogramms wohl in Ankara liegt, muss sich aber doch auch der Währungsfonds fragen lassen, warum er trotz Misserfolgen in etlichen Ländern immer wieder die alten Rezepte anwendet. Drastische Sparmaßnahmen plus Privatisierung sind eben auch kein Allheilmittel.