Eine Klarstellung vorweg: Wir von der Entwicklungszusammenarbeit finden, der Professor aus Berlin geht in seiner Kritik von völlig veralteten Beispielen aus, aber es ist nützlich, dass er motzt. Zu den Vorhaltungen des Soziologen im Detail:
Stichwort "Abschied von der Gießkanne": Bereits 1993 wurde entschieden, die Mittel nicht mehr auf 54 Länder aufzusplittern, sondern auf acht Schwerpunkt- und elf Kooperationsländer in fünf Regionen der Welt zu konzentrieren. Diese Schwerpunktsetzung ist stabil geblieben und macht dauerhafte Partnerschaften möglich.
Stichwort "Konzentration auf unsere Stärken": Jedes Geberland hat seine spezifischen sektoralen Schwerpunkte - in Österreich sind dies Landwirtschaft, Berufsbildung, Kleinbetriebsförderung, Wasser und Energie. Dass wir bei "Bevölkerungsentwicklung" angeblich Schlusslicht sind, hat nur mit der Konzentration auf eben diese Bereiche und nichts mit ideologischen Allianzen zu tun: Wir verzichten bewusst darauf, überall ein Fähnchen aufzustellen, weil andere Geber andere Schwerpunkte setzen und die Abstimmung zunehmend besser funktioniert.
Stichwort "Zusammenarbeit statt Hilfe": Entwicklungshilfe ist längst zur Entwicklungszusammenarbeit geworden: Jedes Projekt bzw. Programm wird primär von den Partnern im Entwicklungsland geprägt. Ein dezentralisiertes Management - acht EZA-Büros in den Schwerpunktländern mit etwa 20 Fachleuten - sorgt dafür, dass die Arbeit flexibel organisiert wird (Beispiel: Soforthilfe bei Hurrikan "Mitch" in Nicaragua).
Selektive Kontrolle
Stichwort "Qualität": Unsere Programme (etwa das Regenwaldprogramm und rund 30 Projekte zur Förderung indigener Völker) haben internationale Beachtung gefunden. Die OECD stellte bei der letzten Prüfung fest, dass alle Landwirtschaftsprojekte umweltfreundlich gestaltet sind. Wir sichern die Qualität jedes einzelnen Projekts durch sorgfältige Prüfung im Hinblick auf Umweltverträglichkeit und mögliche Auswirkungen auf Frauen.
Stichwort "Evaluierung": Seit der Schaffung einer Evaluierungsabteilung 1989 ist Erfolgskontrolle ein integrierter Bestandteil jedes Projektzyklus, Evaluierungen erfolgen allerdings wegen der relativ hohen Kosten nur für Schlüsselprojekte. Selbstverständlich sind die Evaluierungsberichte öffentlich zugänglich.
Stichwort "Entwicklungspolitik": Österreich hat auf diesem Sektor dank professioneller Vorbereitung eine beachtliche EU-Präsidentschaft absolviert und in einigen Schlüsselthemen (Lome-Verhandlungen, Tourismus, NGO-Finanzierung) wichtige Fortschritte erzielt. Unsere Präsenz im Friedensprozess für Burundi (wo Botschafter Lennkh als Vorsitzender einer Kommission bestellt wurde) oder die Gestaltung einer Transportministerkonferenz des südlichen Afrika in Wien haben neue Politikbereiche erschlossen, in denen unsere Stimme Beachtung findet.
Die Politik ist am Zug
Stichwort "Leistungen": In dem Punkt hat der Professor mit seiner Kritik leider Recht. Gemessen am Reichtum unseres Landes, bleiben wir in der Tat einiges schuldig. Vor allem in der Projekt- und Programmhilfe stagniert unser Leistungsniveau seit 1993 bei rund einer Milliarde Schilling. Die Aufgaben sind jedoch vielfältiger geworden, neue Bereiche wie Konfliktprävention, Tourismus, Humanitäre Hilfe sollen erschlossen werden - fragt sich nur, von welchen Bereichen man die nötigen Mittel abziehen will, wenn die Betreuerorganisationen schon jetzt über Geldknappheit klagen?
Eine Lösung wäre die von Staatssekretärin Ferrero-Waldner seit langem geforderte Absetzbarkeit von Spenden. Ihre Initiative "Private Wirtschaftspartnerschaften", mit der österreichische Unternehmer bei Investitionen in Entwicklungsländern unterstützt werden, stößt auf lebhaftes Interesse.
Stichwort "Medienarbeit": Ein klares Konzept für Öffentlichkeitsarbeit wurde bereits 1995 erstellt und in der Folge kontinuierlich umgesetzt. Kulturveranstaltungen, Journalistenreisen, Touristeninformation haben neue Interessentenkreise erschlossen und Zehntausende neue Verbündete für die Sache gewonnen. Öffentlichkeitsarbeit kann aber nur unterstützen, die entscheidenden Schritte müssen vom Parlament gesetzt werden, wie die Beispiele Schweden, Irland, Finnland etc. zeigen. Ein neuer Anlauf der Politik ist daher dringend nötig.
Günther Stachel leitet seit 1992 die Gruppe Projekt- und Programmhilfe im Außenministerium.