London/Jakarta - Die Unruhen auf Borneo, erinnert Marcus Mietzner, Indonesienexperte an der Australian National University in Canberra, gegenüber dem Standard, sind nur der jüngste Gewaltausbruch in einem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt zwischen den in Kalimantan einheimischen Dayaks und den in den vergangenen Jahrzehnten zugewanderten Maduresen. "1997 gab es bei Unruhen in Westkalimantan Tausende von Toten, nur wurde das damals international nicht so sehr berichtet, weil unter (Langzeitdiktator, Red.) Suharto die Pressefreiheit stark eingeschränkt war", sagt Mietzner. "Auch seit dem Abgang Suhartos (im Mai 1998, Red.) hat es mehrfach gewaltsame Zusammenstöße mit Hunderten von Toten gegeben." Anstifter der jüngsten Unruhen sollen zwei Dayaks gewesen sein, die nach dem Verlust ihrer Jobs als kleine Beamte Angehörige ihrer ethnischen Gruppe gegen die Maduresen aufhetzten. Mietzner hält das "für weit hergeholt", grundsätzlich aber sei es nicht auszuschließen, dass jemand aus persönlichem Ressentiment die Spannungen schüre. Die Dayaks fühlen sich zunehmend aus dem Wirtschaftsleben und von ihrem einstigen Landbesitz verdrängt, wobei die zumeist als kleine Händler tätigen Maduresen keinesfalls zu Wohlstand gekommen sind. Bis zu 20 Prozent der Bevölkerung machen laut Mietzner in manchen Teilen von Kalimantan die Maduresen aus. Konflikt ausgenutzt Gekommen sind sie vor allem im Zuge der Transmigrationspolitik unter Suharto, mit der durch Umsiedelungen stark bevölkerte Regionen wie Madura, die Heimatinsel der Maduresen nördlich von Ostjava, entlastet werden sollten. "Die Maduresen sind im gesamten Archipel sehr unbeliebt, sie gelten als dickköpfig und unwillig, sich an gegebene örtliche kulturelle Kontexte anzupassen", sagt Mietzner. Für das bislang mangelnde Bemühen der indonesischen Sicherheitskräfte, die verfeindeten Gruppen in Kalimantan auseinander zu halten, gibt es laut Mietzner mehrere Gründe. Zum einen sei die Polizei nicht entsprechend ausgerüstet, zum anderen sei das Militär immer weniger bereit, eigenes Leben zu riskieren, wenn ihm zugleich über Jahrzehnte verankerte politische Privilegien genommen werden. "Dazu kommt noch, dass Polizei und Militär seit Jahrzehnten diesen Konflikt auch zu politischen Zwecken ausgenutzt haben und deswegen selbst denkbar schlecht positioniert sind, um schlichtend einzugreifen." (DER STANDARD, Printausgabe, 27.2.2001)