Bern - Die Schweizer Regierung will ihr Land in die EU führen. Zündende Argumente, um die unentschlossene Bevölkerung hinter sich zu scharen, fehlen aber. Denn wirtschaftlich "überwiegen die Nachteile die Vorteile bei weitem", wie Anne Kleinewefers von der Schweizer Nationalbank vor ausländischen Journalisten einräumt. Die Nationalbank habe aber "Scheuklappen" und sehe "nur die enge wirtschaftliche Perspektive". Im großen Zusammenhang könne ein Beitritt doch sinnvoll sein, fügt Kleinewefers rasch hinzu und betont, dass sich Nationalbank dem Beitritt nicht widersetze. Verkehrsminister Moritz Leuenberger verwirft die Suche nach wirtschaftlichen Vorteilen aus einem EU-Beitritt schlicht als "unwürdig". Vielmehr wolle die Schweiz "ihre Verantwortung für den Frieden auf diesem Kontinent" übernehmen. Und wenn das heute kein "ziehendes Argument" sei, dann müsse die Regierung eben daran arbeiten, dass daraus eines werde. Die Politik solle nicht Umfragen nachbeten, sondern gestalten. In das gleiche Horn stößt Wirtschaftsminister Pascal Couchepin. "Europa ist aus politischen Gründen unsere Zukunft. Nicht vorrangig aus wirtschaftlichen Erwägungen". Die Schweizer rechnen mit drei bis vier Milliarden Schweizer Franken Nettobeitrag in die EU-Kassen. Das würde sie pro Kopf mit Abstand zum größten Zahler machen. Auch sonst zeichnen sich zahlreiche Probleme durch den EU-Beitritt ab. Der Zinssatz dürfte um mehr als einen Prozentsatz auf das EU-Niveau steigen, was Kredite empfindlich verteuern würde. Die Mehrwertsteuer müsste von derzeit 7,6 Prozent auf den EU-Mindestsatz von 15 Prozent verdoppelt werden. Etwa 20 Prozent der den Schweizern so wichtigen Volksabstimmungen wären nach dem EU-Beitritt nicht mehr möglich, da es über EU-Recht kein Referendum geben könne. Die Landwirtschaft ist auf Milch konzentriert. Der Milchpreis liegt in der EU aber um ein Drittel niedriger. Die Sieben Mitglieder der Schweizer Regierung sehen aber in ihrer täglichen Arbeit, dass die Unabhängigkeit ihres Landes von der EU nur eine scheinbare ist. Seit gut zehn Jahren muss jedes Schweizer Gesetz auf EU-Konformität geprüft werden. Im Justiz- und Innenbereich ist der Spielraum kaum mehr gegeben, wie die zuständige Ministerin Ruth-Metzler einräumt. Die Schweiz ist umgeben von EU-Staaten, die auf Grund des Schengen-Abkommens ein gemeinsames Visum verlangen. Vielen Touristen war es zu mühsam auch noch ein Schweizer Visum zu erstehen, sie ließen das kleine Alpenland links liegen. Daraufhin entschloss man sich in Bern, das Schengen-Visum für die Einreise anzuerkennen. Die Touristen waren zwar zufrieden. Aber es tut doch weh, dass jeder mit einem Schengen-Visum in die Schweiz kann - nicht aber mit einem Schweizer Visum in das umgebenden Schengenland so Außenminister Joseph Deiss. "Da könnten wir als EU-Mitglied unsere Interessen viel besser verteidigen", so Deiss. Vor dem gleichen Dilemma steht sein Land nun beim Bankgeheimnis. "Wir waren in Feira (wo die EU einen Informationsaustausch über Bankkonten beschloss, Anm.) nicht dabei", klagt Deiss. Jetzt aber macht die EU Druck auf Bern, diese Bestimmungen zu übernehmen. (APA)