Wien - Finanzminister Karl-Heinz Grasser (F) kann die Reform der Bankenaufsicht in den meisten Punkten auch ohne Zustimmung der SPÖ durchziehen. Eine parlamentarische Zwei-Drittel-Mehrheit sei nur in Ausnahmefällen notwendig. Diesen Schluss zieht Verfassungsrechtler Heinz Mayer in einem Gutachten, aus dem das "WirtschaftsBlatt" in seiner Mittwoch-Ausgabe zitiert. Mayer wurde vom Minister beauftragt, die Reform der Bankenaufsicht nach verfassungsrechtlichen Fragen zu prüfen. Nach Grassers Plänen soll die Bankenaufsicht wie berichtet zunächst mit der Bundeswertpapieraufsicht zusammengelegt werden. In weiterer Folge sollen auch die Aufsichtsbehörden für die Versicherungen und die Pensionskassen dazukommen. Die SPÖ legt sich dagegen quer und fordert die Auslagerung der Bankenaufsicht in die Nationalbank. Keine Verfassungsänderung "Ohne uns wird sich in dieser Frage nichts abspielen", gab SPÖ-Finanzsprecher Rudolf Edlinger die Devise vor. Doch hier dürfte er sich irren, schreibt die Zeitung. Laut Mayer-Gutachten können die vier Aufsichtsorgane auch ohne Zustimmung der Opposition verschmolzen werden. Bei der Zusammenlegung von Behörden in ein neues Amt bedarf es keiner Verfassungsänderung, schreibt der Jurist. Mayer schlägt eine Behörde mit einer "mehrgliedrigen, allenfalls auch gleichberechtigten Leitungsstruktur - analog dem Vorstand einer Aktiengesellschaft" vor. Das würde bedeuten, dass der Finanzminister die Vorstände ernennen kann und in sämtlichen Fragen über ein Weisungsrecht verfügt. Der Minister kann zwar Beiräte von der Nationalbank einbeziehen, behält aber trotzdem die Letztverantwortung. Bei Gefahr im Verzug besteht seitens des Finanzministeriums sogar die Pflicht, einzuschreiten. Eine parlamentarische Zwei-Drittel-Mehrheit sei nur bei der Errichtung einer weisungsfreien und völlig unabhängigen Behörde erforderlich, so der Bericht. Der Verfassungsrechtler wollte sein Gutachten mit Hinweis auf den Auftraggeber (Ministerium) nicht kommentieren. Matthias Winkler, Pressesprecher von Minister Grasser zur Zeitung: "Wir werden die Bankenaufsicht sicher neu positionieren. Grundsätzlich wollen wir eine weisungsfreie Behörde." Sollten SPÖ und Grüne im Parlament aber nicht mitspielen, werde man die Reform im Alleinganz durchziehen und das Weisungsrecht behalten, zitiert die Zeitung. (APA)