Haverford/Wien - Dass sportliche Betätigung eine schmerzlindernde Wirkung haben kann, weil das ausgeschüttete Stresshormon Adrenalin das Schmerzempfinden zumindest zeitweilig ausschaltet, ist seit einiger Zeit bekannt. Allerdings gibt es hier sehr starke geschlechts-spezifische Unterschiede, fanden jetzt WissenschafterInnen vom Haverford College in Pennsylvania heraus. Für Männer ist offenbar der Kick durch den Wettkampf entscheidend, um die schmerzlindernden Ressourcen des Körpers zu mobilisieren. Frauen hingegen könnten einen vergleichbaren schmerzlindernden Effekt allein durch die sportliche Aktivität erzielen, berichtet das Journal of Pain. Die ForscherInnen untersuchten in ihrer Studie das Schmerzempfinden von mehr als 60 Studentinnen und Studenten nach einem Wettlauf, nach einem Fitnesstraining und nach einer Spiele-Schlacht am Computer. Den insgesamt stärksten schmerzlindernden Effekt brachte der Wettkampf auf der Laufbahn, weil sich dabei physischer und psychischer Stress addieren. Unterschiede Allerdings war die den Schmerz betäubende Wirkung des Laufduells bei Frauen bedeutend geringer als bei Männern. Auch der Wettkampf an der Spielkonsole brachte den Frauen im Gegensatz zu den Männern kaum schmerzstillende Effekte. Beim Fitnesstraining am Heimtrainer hingegen verzeichneten die Frauen einen besonders starken schmerzstillenden Effekt, während Männer darauf kaum ansprachen. Dass Männer und Frauen ein unterschiedliches Schmerzempfinden haben, ist heute durch zahlreiche Studien gut belegt. "Im Allgemeinen reagieren Frauen früher auf Schmerzen und empfinden gleiche Schmerzreize stärker als Männer", erklärt Hans-Georg Kress, Schmerzexperte an der Universitätsklinik für Anästhesie und Allgemeine Intensivmedizin am Wiener AKH. Außerdem wisse man, dass Frauen auf bestimmte Schmerzmittel, etwa aus der Gruppe der Opiate, besser ansprechen als Männer. Und schließlich zeigen epidemiologische Daten, dass bestimmte chronische Schmerzzustände wie Migräne bei Frauen häufiger vorkommen. Eine mögliche Ursache für das geschlechtsspezifische Schmerzempfinden liegt im Hormonhaushalt. Das Schmerzempfinden von Frauen schwankt zyklusabhängig, in der Schwangerschaft werden zum Beispiel zusätzlich Endorphine ausgeschüttet. Aus all diesen Erkenntnissen werden in Zukunft auch Konsequenzen für eine geschlechtsspezifische Behandlung von Schmerzen bei Männern und Frauen erwachsen, folgert Kress. Allerdings stehe die konkrete Umsetzung der Forschung diesbezüglich noch am Anfang. Heute noch würden weibliche Schmerzpatienten häufig weniger ernst genommen als Männer. Kress: "Männer gehen mit Schmerzen später zum Arzt, doch dann fordern sie die Behandlung intensiver ein und werden wohl auch deshalb vielfach besser diagnostiziert und behandelt." (hu/rbe) (D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 28.02. 2001)