Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters
Zagreb/Den Haag/Wien - Die Verurteilung des bosnischen Kroatenführers Dario Kordic zu 25 Jahren Haft durch das Haager UNO-Kriegsverbrechertribunal bedeutet auch eine unmissverständliche Abrechnung mit dem "Tudjmanismus", der nach den Worten von Staatspräsident Stipe Mesic "Kroatien viel umfassender zerstört hat, als wir angenommen haben." Schließlich war der vierzigjährige vielfache Kriegsverbrecher Kordic nicht nur "Vizepräsident" des illegalen Separatstaates "Herceg-Bosna", sondern vor allem Chef des bosnischen Ablegers der Nationalistenpartei HDZ von Franjo Tudjman und enger Vertrauter des verstorbenen Staatschefs. Auch wenn Mesic bei seinem jüngsten Österreich-Besuch in einem "Format"-Interview hervorhob, "dass es im Moment wichtig ist, die Schuld zu individualisieren", sprechen die Reaktionen der führenden Exponenten des Tudjman-Lagers wie HDZ-Vizechef Vladimir Seks eine andere Sprache. Da ist von einer "Verurteilung des kroatischen Volkes, insbesondere der in Bosnien-Herzegowina lebenden Kroaten" die Rede. Tudjman als Hauptverantwortlicher Kordic hatte sich dem Haager Tribunal gestellt, nachdem die USA massiven Druck auf Zagreb ausgeübt und den Europarat aufgefordert hatten, Kroatien in Anbetracht schwerer Menschenrechtsverletzungen auszuschließen. Washington hatte dem Tudjman-Regime, das sich vor allem in Österreich vieler Sympathien erfreuen konnte, mangelnde Bereitschaft vorgeworfen, das Dayton-Abkommen umzusetzen und mit dem UNO-Strafgerichtshof zu kooperieren. Die Präsidentin des Haager Tribunals, Gabrielle Kirk McDonald, hatte in einem an den UNO-Sicherheitsrat gerichteten Schreiben Zagreb beschuldigt, die Zusammenarbeit zu verweigern. In dem Prozess gegen den kroatischen General Tihomir Blaskic vor dem UNO-Tribunal war Tudjman selbst ins Visier der Anklage geraten. Zeugen, deren Identität aus Sicherheitsgründen geheim gehalten wurde, sagten aus, Tudjman sei der Hauptverantwortliche für die Morde an moslemischen Zivilisten in Zentralbosnien. "Unter Tudjman war Kroatien kein Rechtsstaat" "Ich bin der Meinung, dass mit dem Tudjmanismus bisher viel zu milde abgerechnet wurde", sagte Mesic im "Format"-Gespräch; "Kroatien muss sich ganz klar davon lossagen, denn unter Tudjman war Kroatien kein Rechtsstaat. Das Land wurde nicht durch Gesetze, sondern durch Kumpanei regiert. Und viele, die dafür verantwortlich sind, laufen noch immer frei herum". Rechtsnationalistische Kreise, besonders in den Streitkräften, sind verärgert darüber, dass die neue Regierung sich verpflichtet hat, mit dem UNO-Kriegsverbrechertribunal zu kooperieren und mutmaßliche Kriegsverbrecher auch dann anzuklagen, wenn es sich dabei um Kroaten handelt. (APA)