Wien/Hamburg - Gegen eine Überbewertung von Sex in Partnerschaften hat sich der Paarberater Michael Mary ausgesprochen. In einem Interview der deutschen Zeitschrift "Vital" (März-Ausgabe) sagte Mary, die Aussage, eine gute Beziehung beinhalte auch guten Sex, sei nicht richtig. Sie werte jede Beziehung ab, die wenig oder keinen Sex biete und erkläre sie für nicht normal. "Partnerschaften können aber sehr gut und sehr wertvoll sein, unabhängig davon, ob Sex darin vorkommt oder nicht." Viele Menschen hätten gelernt, einem Mythos hinterherzulaufen, der der Realität nicht standhalten könne. "Es ist aber einfach entlastend für ein Paar wahrzunehmen und zu akzeptieren: Ja, wir sind Partner fürs Leben. Aber wir müssen deshalb nicht ein leidenschaftliches Liebesleben führen", sagte Mary. Je mehr Sex, desto eher der Wechsel? Dauerbeziehungen werden nach Ansicht von Mary durch sexuelle Dogmen stark belastet. Wer meine, Beziehungen müssten immer und jederzeit Sex bieten oder der Sex müsste sogar besser werden, je länger die Beziehung dauere, werde zum Beziehungswechsler. "Und dann hält eine Beziehung nicht viel länger als die Verliebtheit oder das Begehren." Heute werde gern behauptet, Sexualität würde nicht mehr um der Lust an der Lust willen gesucht, sondern sie stehe im Dienst der Paarbindung. "So wie Störche miteinander klappern, um ihre Zugehörigkeit zu signalisieren, würden Paare vor allem deshalb miteinander schlafen, um ihre Beziehung zu festigen." Das halte er für eine schöne, aber zugleich völlig absurde Theorie. Sexualität lasse sich nicht so einfach zähmen oder an die Kette legen und für eine Dauerbeziehung funktionalisieren. Das lasse sich auch historisch belegen. "Seit die Liebe Grundlage einer Ehe ist - also erst seit etwa 200 Jahren -, zerfällt die Ehe unaufhaltsam." (APA)