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Foto: REUTERS/Takahashi
Tokio - Die japanische Wirtschaft steuert nach Meinung von Experten erneut auf den Abgrund zu. Um eine Rezession zu vermeiden, sah sich die Zentralbank am Mittwoch zu einer abrupten Kehrtwende gezwungen und senkte ihren Schlüsselzinssatz. Erst sechs Monate zuvor hatte sie den Tagesgeldsatz noch angehoben und sich damit gegen Widerstände aus Politik und Wirtschaft durchgesetzt, die den Schritt für verfrüht hielten. Tatsächlich hat sich die wirtschaftliche Lage Japans seither so verschlechtert, dass einige Experten bereits den Absturz Japans in eine erneute Rezession und Bankenkrise prophezeien. "Wir sind nahe an einer Rezession", sagte Matthew Poggi von Lehman Brothers Japan, der Agentur Bloomberg am Mittwoch. Verflogen all die noch vor wenigen Monaten auch von Regierungsseite geschürten Frohlockungen auf einen angeblich bevorstehenden dauerhaften Aufschwung. "Japan ist meine eigentliche Sorge. Hier droht eine größere Krise", meinte unlängst der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, in einem Interview. Auch der Vizechef von Goldman Sachs Asia, Kenneth S. Curtis, sieht Japan auf eine höchst bedrohliche Lage zusteuern. Die Notenbank bestärkte diese Furcht nun. Japans wirtschaftliche Erholung habe sich vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Abschwächung in Übersee sowie dem Kursverfall am heimischen Aktienmarkt verlangsamt, befand die Notenbank. Die Industrieproduktion war im Jänner unerwartet stark gesunken, wie die Regierung zuvor mitteilte. Der Druck auf die Preise in Folge der schwachen Verbrauchernachfrage könne sich von nun an verstärken, so die Notenbank. Der Konsum macht 60 Prozent der Wirtschaftsleistung Japans aus. Angesichts der düsteren Aussichten, Arbeitslosigkeit und Sorgen um die Alterssicherung legen die Japaner ihr Geld jedoch lieber aufs Sparbuch, auch wenn sie dafür so gut wie keine Zinsen bekommen. Drohende Deflationsspirale Japan droht, in eine Deflationsspirale mit ständig fallenden Preisen zu geraten. Die US-Kreditbewertungsagentur Standard & Poor's stufte kürzlich die Bonität japanischer Staatsanleihen ab. Damit erhöht sich der Druck auf Japan, die bedrohlich ausufernde Staatsverschuldung und das Problem der gewaltigen notleidenden Kredite bei den Banken energischer als bisher anzugehen. Experten wie Curtis fürchten bereits ein erneutes Aufflammen der Bankenkrise. Die Leitzinssenkung durch die japanische Zentralbank vom Mittwoch wird denn auch als Versuch gesehen, den Banken die Abschreibung ihrer faulen Kredite durch eine expansivere Geldpolitik zu vereinfachen. Um eine dauerhafte Wirtschaftserholung zu gewährleisten, bedürfe es Strukturreformen im Finanzsystem sowie in Wirtschaft und Industrie, meinte die Bank von Japan. Inzwischen hat sich die Gewissheit durchgesetzt, dass Japans wirtschaftlicher Abschwung keine vorübergehende Konjunkturdelle ist, sondern ein ernstes Strukturproblem darstellt. Die Regierung unter dem unpopulären und laut japanischen Medienberichten angeblich kurz vor dem Rücktritt stehenden Premier Yoshiro Mori steht der Krise jedoch nach Ansicht vieler bisher weitgehend machtlos gegenüber. Es fehle ihr nicht nur an schlüssigen Konzepten, sondern auch am ernsten Reformwillen. (APA/dpa)