Die von Peter Weiser kritisierte Autorin wehrt sich gegen den Vorwurf der Literaturgeschichtsfälschung.
Die dankbare Verehrung seiner Leser wird ihn überall zu finden wissen. Für mich existiert die deutsche Literaturgeschichte durch ihn." So emphatisch kommentierte Hugo von Hofmannsthal seine Lektüre von Josef Nadlers "Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften".

Entgegen den Ausführungen von Peter Weiser hat Hofmannsthal Nadler überaus geschätzt, sich um seine Freundschaft und Mitarbeit bemüht, ihn bei Bewerbungen um Ordinariate unterstützt und seine Literaturgeschichte Freunden wie Richard Strauss, Rudolf Borchardt, Gerhart Hauptmann oder Max Mell empfohlen.

Passagen des dritten Bandes dieser Literaturgeschichte, der eine "Stammeskultur des bairischen Volkes" zu behaupten versucht (1. Auflage 1918), paraphrasiert Hofmannsthal in seinen Schriften zu Festspielen in Salzburg, ja aus ihnen zitiert er darin mehrmals wörtlich, wenn es darum geht, das Wesen der "Bajuvaren" zu bestimmen, ihren "Urtrieb" - und nicht "Spieltrieb", wie Weiser falsch zitiert - zu beschreiben, Salzburgs "geistige Führerschaft" innerhalb der bayrisch-österreichischen "Gaue" zu behaupten und auf das Vorbild Oberammergau hinzuweisen. Denn "aus dem gleichen Geist" wie dem Oberammergaus gelte es Festspiele in Salzburg zu gründen, betont Hofmannsthal.

Nicht der Aufruf "Salzburger Festspielhaus" - aus dem übrigens fünf der sieben von Klestil in seine Rede eingestreuten Hofmannsthal-Zitate stammen - , ist dabei das eigentliche Dokument für das Konzept des angeblichen "Weltenbürgers", wie Peter Weiser unterstellt. Auf die Schriften "Deutsche Festspiele in Salzburg" (1919), "Die Salzburger Festspiele" (1919) und "Festspiele in Salzburg" (1921) hat man sich zu beziehen, wenn man sich mit Hofmannsthals Thesen ernsthaft auseinandersetzen will (nachzulesen in: Hugo von Hofmannsthal, Reden und Aufsätze II, Frankfurt 1979).

Der Spielplan für Salzburg, den Hofmannsthal in seinen Texten entwirft, sollte dabei in erster Linie die Dominanz des bayrisch-österreichischen Theaterwesens bestätigen, indem Aischylos, Euripides, Mozart, Goethe, Shakespeare oder Calderón im Kontext dieser Tradition gesehen wurden.

Nicht mit simplifizierenden Schlagworten, nicht mit vorschnellen Einordnungen, nicht mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten kann man dem Konzept Hofmannsthals zu Festspielen in Salzburg gerecht werden. Nur durch ein akribisches Quellenstudium und eine genaue Textanalyse kann eine differenzierte Sicht möglich werden. Und eine solche tut Not, vor allem, wenn man Hofmannsthals Schriften mit der Intention heranzieht, aus ihnen Identität und Funktion des heutigen Österreich abzuleiten - und damit zugleich ganz konkrete Kulturpolitik zu betreiben.
Pia Janke