Wien - "Die Königin der Städte" heißt das Gedicht und preist Salzburg in den höchsten Tönen. Daneben: "Das Wunderland" - eine Lobeshymne auf "das kleine Land mit den 'großen Menschen'", voller "springender Tiere" und "lachender Kinder", nämlich "mein Österreich". Auf den Manuskripten beider lyrischer Ergüsse findet sich die handschriftliche Beurteilung "gut". Wenige Meter weiter in der Vitrine: ein Romanversuch mit dem Titel "Der Wald auf der Straße". Das wütende Bleistiftgekritzel auf dem Deckblatt ist entzifferbar: "Aufgeblasenes Nix!", "Mist!" und "Wie kann so was passieren?" Zwei Beispiele aus einer Ausstellung im Camineum der Österreichischen Nationalbibliothek, die voller Überraschungen und Entdeckungen ist: "Thomas Bernhard und seine Lebensmenschen. Der Nachlaß" . Beide Manuskripte stammen von Thomas Bernhard. Im ersten Fall handelt es sich vermutlich um erste Schreibversuche aus den vierziger Jahren, die von seinem Großvater, dem Salzburger Heimatdichter Johannes Freumbichler positiv beurteilt wurden. Im zweiten Fall übt der berühmte Autor radikale Selbstkritik an seinen Prosaübungen im Vorfeld seines Romans "Frost", der ihm zum Durchbruch verhalf. Peter Karlhuber, der künstlerische Gestalter der von Martin Huber und Manfred Mittermayer konzipierten Schau, hat Blätter aus dem erstmals in der Öffentlichkeit präsentierten Nachlass in das Zentrum der Ausstellung gerückt: In einem engen, dunklen Gang werden zwischen Hörraum und Videopräsentation eine Vielzahl von Manuskripten und Typoskripten gezeigt. Es sind Zwischenformen später veröffentlichter Texte mit handschriftlichen Korrekturen und unveröffentlichte Versuche, die hier zu sehen sind. Neben einigen Seiten aus dem nie zur Veröffentlichung freigegebenen Roman "Schwarzach Sankt Veit" (1960) machen zuletzt die späten Entwürfe zu dem Roman "Neufundland" oder zu der im Wartezimmer einer Döblinger HNO-Arztpraxis spielenden Tragödie "Die Schwerhörigen" neugierig auf das, was die seit zwei Jahren kontinuierlich betriebene Nachlass-Forschung noch alles an Schätzen heben wird. Einen Zwischenbericht auf die Arbeit der Wissenschaft gibt ab Mittwoch das ebenfalls in der Nationalbibliothek stattfindende Symposium "Wissenschaft als Finsternis?" Ab Herbst soll der Nachlass dann in der umgebauten Villa Stonborough-Wittgenstein in Gmunden zugänglich gemacht werden. (APA)