Sarajewo/Wien - Im Abspaltungsbeschluss nationalistischer bosnischer Kroaten vom Wochenende sieht der Österreicher Petritsch vor allem die Reaktion darauf, dass das Land seit kurzem eine Regierung hat, welche die multi- ethnische Gesellschaft und eine Aussöhnung zwischen den Volksgruppen befürwortet. "Das ist zwar eine ernstzunehmende Attacke auf den Gesamtstaat, aber klarerweise auch ein Zeichen einer gewissen Verzweiflung und Ratlosigkeit einer nationalistischen Partei, die gemeinsam mit den beiden anderen nationalistischen Parteien (der Serben und der Muslime, Red.) zehn Jahre lang an der Macht gewesen ist und jetzt aufgrund einer demokratischen Wahl aus allen exekutiven Positionen eliminiert wurde", sagte Petritsch am Montag zum Standard. In Bosnien-Herzegowina amtiert seit Ende Februar eine Reformregierung unter dem Sozialdemokraten Bozidar Mati´c, einem Kroaten. Am vergangenen Samstag beschloss, wie berichtet, in Mostar eine "kroatische Nationalversammlung" die "vorläufige Selbstverwaltung der kroatischen Mehrheitsgebiete". Einer der Hauptbetreiber der kroatischen Abspaltung ist der Chef der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ), Ante Jelavi´c, der zugleich die kroatische Volksgruppe im dreiköpfigen bosnischen Staatspräsidium vertritt. Unmittelbar nach dem Beschluss von Mostar hatte Petritsch auf seine Befugnis verwiesen, Funktionäre zu entlassen, die das Dayton-Abkommen aufkündigen. Diese Drohung wollte der Bosnien- Beauftragte am Montag nicht präzisieren. Vor "solch schwer wiegenden Entscheidungen" wolle er die Lage genau analysieren. Die Regierung Kroatiens sei in dieser Sache jedenfalls "sehr auf unserer Seite", sagte Petritsch. Gleichberechtigung Petritsch verwies in dem Gespräch auch darauf, dass er vor kurzem in Gesprächen mit der Führung der Republika Srpska erreicht habe, dass dort neben den Bosniaken auch die Kroaten als konstitutives Volk anerkannt werden. Das bedeute die Ausweitung der konstitutiven Rechte der Kroaten auf den Gesamtstaat und ihre "absolute Gleichberechtigung". Für die Kroaten sei dies besonders wichtig, da sie, mit Ausnahme der Herzegowina, sehr zerstreut über das ganze Staatsgebiet lebten. Dem gegenüber seien die kroatischen Nationalisten "nur an territorialer Exklusivität" interessiert und verzichteten dafür "gut und gerne auf ein Drittel oder mehr der Kroaten". Was die Krise im Raum Südserbien/Kosovo/Mazedonien betrifft, so sieht Petritsch eine Hauptursache dafür im ungeklärten Status des Kosovo. Extremistische Kräfte versuchten nun, ein Faustpfand für die Unabhängigkeit des Kosovo zu erlangen. Dies müsse man energisch "und wenn notwendig mit entsprechendem Militäreinsatz" zurückweisen. "Und zum andern muss man rasch zu einem internationalen Konsens über den Statuts des Kosovo finden." (DER STANDARD, Printausgabe, 6.3.2001)