Eigentlich müßte Frank Stronach als rettender Jobbringer von den Gewerkschaftern umarmt werden - stattdessen verkörpert er für sie den Leibhaftigen. Und was ein Teufel ist, der findet auch die richtigen Worte: Daß Stronach die Gewerkschaft mit der Mafia vergleicht, ist ein starkes Stück, aber aus Unternehmersicht verständlich. Nicht nur wegen ihrer Geschlossenheit und intransparenten Strukturen - auch wegen ihres unbedingten Willens zur Macht.

Obwohl sich Magna gesetzeskonform verhält, wenn sich die Belegschaft für einen Vertrauensmann statt eines Gewerkschafters entscheidet, wollen die Gewerkschaften um jeden Preis einen ihrer Vertrauensleute erzwingen. Freiheit und Selbstbestimmung sind unerwünscht. Der ÖGB sagt auch offen, warum: Wir wollen die Kontrolle über jeden Betrieb ab einer gewissen Größe. Und ist er nicht willig, veranlassen wir die Politik, zugesagte Subventionen einzufrieren. Selbst wenn das Arbeitsplätze kosten sollte - Machterhaltung geht vor.

Guter Hirte?

Hier prallen zwei unversöhnliche Weltbilder zusammen. Die Synthese der Pole könnte durchaus in einem "dritten Weg" liegen. Doch den lehnen die Gewerkschafter vehement ab.

Dieser Weg nämlich, fürchtet Hans Sallmutter, könnte in die "rechte Mitte" führen (so der GPA-Chef in seinem Beitrag zur STANDARD-Debatte um das Schröder-Blair-Papier am 31. Juli 99). Wobei "rechts" hier vermutlich mit einem höheren Maß an Eigenverantwortung gleichgesetzt wird, was Sallmutter seinen Schäfchen, den kleinen Leuten (die das auch ein Leben lang bleiben sollen) offenbar nicht zumuten will.

Die Modernisierung der Sozialdemokratie à la Blair und Schröder muss daher seiner Meinung nach gebremst werden, zumal Europa ohnehin "zwei Jahrzehnte der Dominanz konservativer bzw. neoliberaler Regierungen" ausgesetzt war.

Seltsam. Wenn ich zurückblicke, sehe ich nur Großbritannien unter Margaret Thatcher, auf die das Verdikt "neoliberal" passte. Dagegen waren Österreich und Deutschland nicht einen einzigen Tag in ihrer gesamten Geschichte "liberal", geschweige denn "neo-".

Doch zurück zu Sallmutters ökonomischen Analysen: Der Sozialpolitiker beklagt am Programm des "dritten Wegs" im Grunde, dass Blair und Schröder eine Einsicht gewonnen haben: Finger weg von der Wirtschaft, Sozialpolitik kann nur auf der Grundlage des freien Marktes stattfinden.

Und genau das passt Sallmutter nicht, weil damit indirekt eine Entmachtung der Gewerkschaften verbunden ist. Also verbeißt er sich in die arbeitsmarktpolitische Liberalisierung des Blair/Schröder-Papiers. Dort heißt es simpel und realitätsbewusst, dass Arbeitsplätze entstehen, wenn man zulässt, dass gering Qualifizierte nur niedrige Löhne erhalten. Was aus Sicht des Gewerkschafters einem "Lohnverzicht" gleich käme.

Getrübter Blick

Sallmutter stößt sich auch an Teilzeitjobs, obwohl diese Lösung in den Niederlanden zur Vollbeschäftigung geführt hat (dass es Menschen gibt, die nicht den ganzen Tag im Laden stehen wollen, ist im Sallmutterschen Weltbild nicht vorgesehen), und er bekämpft Vorschläge, Teilzeitarbeit steuerlich zu entlasten, weil die Abgaben für solche Tätigkeiten "vergleichsweise gering" bemessen seien.

Mir scheint, der Gewerkschafter verbringt seine Urlaube auf der Rückseite des Mondes. Wer um 5.000 Schilling im Monat aushelfen geht, wird nicht arbeiten, wenn er die Hälfte davon hergeben muss. Doch in Österreich gilt als "sozial gerecht", wenn selbst winzige selbständige Einkommen horrende 50 Prozent Abgaben zahlen müssen. Wer 250.000 Schilling im Jahr verdient, muss 75.000 in die Sozialkassa schütten und vom Rest noch einmal 30 Prozent an das Finanzamt löhnen. Bleibt ein gerechtes Monatseinkommen von etwa 13.000 Schilling.

Taschenspielertrick

Weiter im Text: Sallmutter will durch Arbeitszeitverkürzung ohne Lohn- und Gehaltsabschlag Arbeit "umverteilen". Das mag bei normierten Industriearbeitsplätzen funktionieren, mit Sicherheit nicht in einer Wirtschaft, zu deren Rohstoff zunehmend Wissen wird (die Multi-Funktionäre sind der lebende Beweis). Arbeitszeiten ohne Lohnabschlag zu verkürzen, verteuert den Faktor Arbeit. Natürlich würden die Unternehmen darauf mit Entlassungen reagieren und Menschen durch Maschinen ersetzen. Oder die Schwarzarbeit würde weiter zunehmen. Dann kämen die Sallmutters dieser Welt und forderten 30 statt 35 Stunden in der Woche und so fort.

Nach den Studien einiger Trendforscher (zum Beispiel "Jobshift" vom Föhrenbergkreis) könnten die österreichischen Betriebe auf rund ein Drittel ihrer Angestellten durch organisatorische Maßnahmen bzw. technologische Investitionen verzichten. Offensichtlich aber will sich Hans Sallmutter einen Ruf als Arbeitsplatzkiller sichern, indem er diesen Prozeß noch beschleunigt.

Eine konkurrenzorientierte, arbeitsteilige Wirtschaft braucht Ungleichheit, weil nicht jede Tätigkeit gleich wichtig oder wertvoll ist. Doch Lohnunterschiede sind im Weltbild des Gewerkschafters als "ungerecht" registriert. Für Sallmutter bedeutet "soziale Gerechtigkeit", Ungleiches (z.B. Fähigkeiten, Leistung) gleich zu behandeln. Damit macht er aus dem philosophischen Begriff einen semantischen Taschenspielertrick.

Gerechtigkeit bedeutet einen Ausgleich von Rechten und Pflichten und nicht nur Ansprüche an Besserverdienende. Der Gewerkschafter will eine Gesellschaft der Gleichen, nicht bloß gleiche gesellschaftliche Zugangschancen, sondern auch möglichst Gleichheit im Ergebnis. Unter anderen Umständen nennt man dies Diktatur.

Demokratie braucht ein gewisses Maß an Ungleichheit, weil die Menschen sich voneinander unterscheiden wollen. Ungleichheit veranlasst sie, nach einem besseren Leben zu streben. Wenn dieses Streben wie im ehemaligen Ostblock jahrzehntelang unterbunden wird, erstarrt die ganze Gesellschaft. Das Duell Magna versus Gewerkschaft ist daher für die Zukunft dieses Landes durchaus von symbolischer Bedeutung.

Walter Braun lebt als freier Wirtschaftsjournalist in Wien.