E. ringt die Hände. Und lacht. Denn auch wenn der Andrang in ihrem kleinen Shop auf Dauer ein bisserl anstrengend ist, ist ein volles Geschäft eigentlich das, was sie sich wünscht. Auch wenn sie dann weniger Zeit für individuelle Beratung hat. Die liegt E. nämlich am Herzen. Weil man sonst ja wirklich genauso gut gleich zum Automaten gehen könnte. Denn vom Primärnutzen her, gibt auch E zu, gibt es zwischen ihrer Ware und dem, was man Drogerie oder Automat mitnehmen kann, keinen wirklich großen Unterschied. Im Detail aber sehr wohl. Schließlich nennt sich E. nicht ohne Grund “Erektionsbekleiderin”. Sie verkauft nämlich Kondome. In ungefähr 2376 Geschmacks-, Größen-, Noppen-, Farb- und Wasweißichdennnochvariationen. Und ein paar Prisen milden Schlafzimmerspielzeugs auch. Im Prinzip, gibt E. - wenn auch ungern - zu, ist ihre Kondomboutique in der Otto Bauer Gasse schon ein Sexshop. Aber halt einer ohne das muffige Magazin- und Videoangebot gynäkologischer Closeupstudien. Erwärmte Hormone Dass E. derzeit die Hände ringt, liegt an den Hormonen. Nicht denen von E. selbst., sondern denen der übrigen Welt. Die - die Hormone - sind zwar das ganze Jahr über da, aber knapp vor Frühlingsbeginn geht es zuerst im Körper und dann bei E. im Geschäft rund. Wenige Tage bevor es beginnt wirklich wärmer zu werden, erzählt E., bricht die Invasion an. Schlagartig. Zuverlässiger als ein Frosch im Einmachglas, präziser als jeder Wetterbericht und unübersehbarer, als die Mutationen der Modepuppen in den Auslagen der Mariahilfer Straße sei dieser Gamsigkeits-Indikator, meint E. Und obendrein auch noch in nüchternen, völlig unsinnlichen Zahlen meßbar: Um satte 30 Prozent schnalzt der Kondomabsatz jedes Jahr zum Winterschluß in die Höhe. Und obwohl E. eigentlich eine ist, die schlüpfrige Witze und Andeutungen vermeidet, kann sie sich das Nachzeichnen der Frühlingsgummikurve nicht verkneifen. “Soooooo geht das rauf”, meint sie lachend und zieht eine Gerade mit einem etwa 60-gradigen Anstiegswinkel. Wunsch- und Vorratsdenken Mit manchen Leuten - meist Männern - geht allerdings das libidinöse Wunschdenken durch. Dann verlagert sich das Vorratsdenken zwischen die Beine: Mancher Herr, der sonst zwei Kondome im Monat kauft, wandert mit einem Präservorrat, der für eine ganze Kompanie reichen würde, der stärker werdenden Sonne entgegen. Dieses Phänomen, erzählt E., tritt aber auch zu einer anderen Zeit auf: Zu Beginn der Urlaubssaison. “Da kommen dann Leute und sagen, sie fahren zwei Wochen nach Ibiza und brauchen 300 Gummis.” Selbst ist sich E. derzeit keine allzu gute Kundin: Irgendwann darf schließlich auch eine Kondomverkäuferin an Kinder denken. Und daran, dass “irgendwann, vielleicht” ein Kinderwagen sich im Gummiladen für manche Leute komisch machen könnte, hat sie bisher keinen Gedanken verschwendet.