Wien - Die Grünen haben am Montag eine Sondersitzung des Parlaments zu Bildungsthemen beantragt, die bis Dienstag nächster Woche stattfinden muss. Dieses Minderheitenrecht - es steht der Fraktion einmal im Jahr zu - wird gezielt eingesetzt, "weil wir uns stärker als in der Vergangenheit als Anwälte der Bildungs- und Forschungsinteressen sehen", erklärt Grünen-Chef Alexander van der Bellen im STANDARD-Gespräch. Die taktische Überlegung stehe aber nicht im Vordergrund: "Es ist ja nicht unsere Schuld, dass die Regierung diese Situation an den Universitäten und Schulen herbeigeführt hat. Dort brodelt es." Das "Tüpfelchen auf dem ,i'" sei die Budgetrede gewesen, wo sich der angekündigte "Vorrang für die Bildung" nicht in Zahlen dargestellt habe. Zuwanderung Dass sich seine Politik nicht nur am kurzfristigen Wählerinteresse (die Grünen sind in jungen Wählergruppen besonders stark) erschöpft, beweist Van der Bellen mit der Forderung, den Angriffen Jörg Haiders auf die verschuldete Kultusgemeinde und deren Präsidenten Ariel Muzicant offensiv entgegenzutreten. Gerade weil Haider antisemitische Töne anschlage ("das Ausländerthema zieht anscheinend nicht mehr") fordert Van der Bellen ohne Rücksicht auf den Wiener Wahlkampf staatliche Hilfe in Form einer kurzfristigen Finanzspritze für die Kultusgemeinde und einer mittelfristig wirkenden jüdischen Zuwanderung aus östlichen Nachbarländern. Dass dies antisemitische Reflexe auslösen könnte, glaubt er nicht: "Mein Vertrauen in die Wiener ist größer, sie haben gelernt, einander zu akzeptieren, auch wenn man sich nicht immer gleich versteht." (DER STANDARD Print-Ausgabe, 6. 3. 2001)