Inland
Spitzelskandal: Kontrollierte Kontrolleure - Von Michael Völker
So mancher Polizeibeamter, der darauf achtet, dass die Bürger brav die Buchstaben des Gesetzes einhalten, buchstabiert
dieses Alphabet für sich ein wenig anders. Wer das Gesetz vertritt, braucht sich selbst nicht ganz so penibel daran halten -
ein Irrglaube bei gar nicht so wenigen Beamten. Das wurde auch im Zuge des Spitzelskandals deutlich. Das polizeiliche
Computersystem EKIS wurde auch zur Befriedigung eigener oder politischer Bedürfnisse zurate gezogen.
Nach jetzigem Stand des Verfahrens bleiben vorläufig acht Beamte über, die sich wegen rechtswidriger Abfragen von Daten
und deren Weitergabe möglicherweise vor Gericht verantworten müssen. Obwohl logisch erscheint, dass zu Ausführenden
auch dementsprechend Anstiftende gehören, ermittelt die Staatsanwaltschaft in Wien nur noch gegen zwei Politiker, die
Anweisungen an folgsame Gefolgsleute bei der Polizei gegeben haben sollen. So bleiben letztendlich diejenigen über, die das
Risiko der gemeinsamen Tat getragen haben, während die Profiteure der illegalen Informationsgewinnung im Dunkeln bleiben.
Die meisten Beamten, die ohne dienstliche Notwendigkeit Einblick in vertrauliche Daten nahmen, taten dies aber ohne Auftrag
und politischen Hintergrund, sondern aus persönlichem Interesse - oder Langeweile im Nachtdienst. Ein erster Schritt zum
Abbau dieses Missbrauchs war dessen Auffliegen. Die Zahl der Abfragen ist seitdem fast um eine halbe Million
zurückgegangen. Innenminister Ernst Strasser hat erkannt, dass in Zukunft auch eine Verstärkung der Stichproben nicht
ausreichen wird. Das gesamte, ohnedies überalterte Computersystem muss ersetzt werden - mit präzisen
Zugriffsmöglichkeiten und systematisierter Kontrolle. Damit die Versuchung nach dem Motto "Schau ma' einmal" möglichst
gering bleibt. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 6. 3. 2001)